Immer mehr Freiberufler
Raus aus dem Hamsterkäfig
Wer wagt, kann gewinnen
Natürlich: Viele Freiberufler können von solch hohen Tagessätzen nur träumen. Sie fürchten finanzielle Ungewissheit oder die soziale Isolation. Doch wer diesen Schritt gewagt hat, bereut ihn selten.
So wie Rolf Dieter Humm. Manchmal dauert es ein paar Monate, manchmal ein paar Jahre, aber früher oder später zieht der 63-Jährige weiter. Humm ist Jobnomade, seit 1997 arbeitet er als selbstständiger IT-Experte. Zuvor war er 31 Jahre lang bei Siemens angestellt. Nach zahlreichen Restrukturierungen entschied Humm, sich selbstständig zu machen.
Heute ist er vor allem im Bereich Programmierung und Datenbankentwicklung tätig. Wenn ein Unternehmen seine Systeme umstellen will - etwa von Office 2003 auf Office 2010 - entstehen dabei Probleme, mit denen Laien vorab nicht rechnen. Dann muss ein Experte ran.
Berufliches Nomadenleben
Feste Arbeitszeiten, einen eigenen Schreibtisch, immer gleiche Kollegen - darauf verzichtet Humm freiwillig. "Natürlich muss ich mich immer wieder schnell auf neue Herausforderungen und Probleme einstellen. Aber genau diese Bandbreite mit ständig wechselnden Kunden und Aufgaben liebe ich." Bei einem Arbeitgeber alleine könnte er das nicht ausleben.
Humm gehört zum neuen Typ von Wissensarbeitern, die bei den Unternehmen begehrt sind. Der FachkräftemangelFachkräftemangel hat das Kräftegleichgewicht verschoben, zugunsten der qualifizierten Mitarbeiter. Viele von ihnen führen ein berufliches Nomadenleben und hüpfen von Job zu Job. Alles zu Fachkräftemangel auf CIO.de
Wirklich verwunderlich ist das nicht. Die obersten Angestellten leben es genauso vor. Die Beratung Booz & Company untersuchte im vergangenen Jahr zum zwölften Mal, wie lange die Chefs der weltweit größten 2500 börsennotierten Konzerne im Amt sind. Im deutschsprachigen Raum blieben sie in 2012 im Schnitt nur 6,2 Jahre auf ihrem Posten. 2011 waren es noch 7,6 Jahre. Europaweit lag die CEO-Amtszeit bei 5,1 Jahren. Das sei "zu wenig, um einen CEO-Posten gut auszufüllen", sagt Klaus-Peter Gushurst von Booz. Die persönlichen Vorteile zählen offenbar mehr als das Wohl des Unternehmens.
Das bestätigt auch Andreas von Schubert, Professor für Personalmanagement der Hochschule Wismar. Die unerschütterliche Treue zum Arbeitgeber, einst eine moralische Maxime, ist heute eine "knallharte Kosten-Nutzen-Rechnung".
Loyalität lohnt nicht mehr
Manche ziehen daraus die Konsequenz, ihr Glück bei einem anderen Unternehmen zu suchen. Jeder dritte Arbeitnehmer in Deutschland hat im Jahr 2012 seinen Arbeitgeber gewechselt, fand der Personaldienstleister Kelly heraus. Auch deshalb, weil sich Loyalität nicht mehr lohnt. Wortwörtlich. Wer sein GehaltGehalt überproportional steigern will oder bei seinem Arbeitgeber in einer beruflichen Sackgasse steckt, muss sich einen neuen Job suchen. Alles zu Gehalt auf CIO.de
Das belegte im Jahr 2011 auch eine Umfrage unter 892 Mitgliedern des Karrierenetzwerks e-Fellows: Wer den Arbeitgeber mindestens zweimal wechselte, steigerte sein Gehalt jährlich im Schnitt um 15 Prozent. Wer beim selben Unternehmen blieb, verdiente nur knapp elf Prozent mehr.
Doch häufig hilft selbst der Wechsel zu einem neuen Arbeitgeber nicht weiter. Jeder zweite Manager ist nach dem Neubeginn mindestens ernüchtert und schlimmstenfalls enttäuscht. Darauf deutet eine aktuelle Studie der Personalberatung InterSearch Executive Consultants hin, für die 150 Führungskräfte befragt wurden. 45 Prozent aller Teilnehmer, die in den vergangenen zehn Jahren mindestens einmal den Job gewechselt hatten, wunderten sich hinterher über die Diskrepanz zwischen Jobprofil und Alltag. Unter Vorständen und Geschäftsführern waren es sogar fast 50 Prozent.
- Der Freiberufler-Roundtable 2014
Am 2. Oktober 2014 fand in den Redaktionsräumen der IDG ein Freiberufler-Roundtable statt. Mit dabei: Deutschlands führende Freiberufler-Vermittler. In spannenden Diskussionen ging es um Themen wie die Zahlungsmoral von Unternehmen und die Zukunft der Branche. Mit dabei waren ... - Peter Schneider, Top Itservices
Er hat für Freelancer einen ganz konkreten Rat: "Ich kann Freiberuflern nur raten, ihr Know-How zu halten und sich im Thema weiterzubilden", sagte Schneider beim Roundtable. - Die Zukunft der Branche
Die Diskussion hangelte sich vor allem an den Punkten entlang: Was erwarten Freiberufler von Vermittlern? Wie sieht die Branche die Zukunft und wie wird sich der Freiberufler-Markt in Zukunft entwickeln? - Daniela Chikato, Projektbörse projektwerk
Sie prognostizierte gute Zeiten für IT-Freiberufler - schließlich verbreitere sich der Markt an Freiberuflern zusehends. Das muss einigen Freelancern paradox vorkommen. Denn gerade die Wirtschaftskrise wirke sich auf den Markt aus, wie übereinstimmend am Tisch zu hören war. - Maxim Probojcevic, Solcom Unternehmensberatung
"Seit 2013 bemerken wir diese Tendenz, Projekte nur über kurze Zeiträume anzulegen", sagte Probojcevic. So liefen etliche Projekte nur noch über wenige Monate, statt Jahre. Das merken die Freiberufler selbst natürlich am stärksten. - Günter Hilger, Geco AG
"Aber im zweiten Halbjahr hat das Geschäft wieder gewaltig angezogen, unabhängig davon, ob es sich um Support oder hochtechnologische Skills handelt, die gesucht werden", sagte Hilger am Roundtable. Das sind gute Nachrichten für selbstständige IT-Experten. Zumindest freiberufliche Spezialisten wird es wohl immer geben. Dem stimmt auch ... - Nikolaus Reuter, Etengo
... Reuter zu. "Selbst, wenn ein Unternehmen 300.000 Mitarbeiter hat, kann es nicht alle spezifischen Wissensgebiete abdecken", sagte er. Vor allem in den stark spezialisierten Themen gibt es oft nur eine Handvoll Experten, die sich wirklich damit auskennt. - Diskussionen am Roundtable
So sind sich alle einig: Die IT-Branche ist so ziemlich die einzige Branche, die derzeit wächst. Die Freelancer werden gebraucht. Und das sind gute Nachrichten für die Branche.