Public IT


Nur Ankündigungen

Sachsen-CIO Bernhardt kritisiert Große Koalition

Johannes Klostermeier ist freier Journalist aus Berlin. Zu seinen Spezialgebieten zählen unter anderem die Bereiche Public IT, Telekommunikation und Social Media.
Die Große Koalition hätte die IT-Zuständigkeiten viel stärker bündeln sollen. Stattdessen habe sie die IT-Kompetenzen sorgfältig auf die drei Koalitionspartner verteilt, kritisiert Sachsen-CIO Wilfried Bernhardt im Interview.

Alle zwei Jahre findet in Dresden das IT- und Organisationsforum (ITOF) statt, ein Kongress zum Thema Staatsmodernisierung in Sachsen.

Dort sprach CIO.de mit dem CIO des Freistaates Sachsen Wilfried Bernhardt (FDP) über die neue Verteilung der IT-Kompetenzen im Bund und die Grenzen des IT-Planungsrats. Der gebürtige Lübecker Wilfried Bernhardt (54) ist Staatssekretär der Justiz und für Europa und Beauftragter für Informationstechnologie des Freistaates Sachsen.

CIO.de: Wir sind hier auf der Sachsen-Konferenz ITOF. Eine solche Konferenz gibt es nur hier. Was ist das Besondere?

Wilfried Bernhardt (FDP), erster CIO des Freistaates Sachsen.
Wilfried Bernhardt (FDP), erster CIO des Freistaates Sachsen.
Foto: SÄCHSISCHES STAATSMINISTERIUM DER JUSTIZ UND FÜR EUROPA

Wilfried Bernhardt: Beim IT- und Organisationsforum geht nicht nur um bloße Technik, sondern wir verknüpfen hier Informationstechnologie mit Organisationsfragen. Das erscheint uns der richtige Ansatz.

Man sollte nicht nur schauen, wie man Verwaltungsverfahren eins zu eins in die Elektronik übersetzen kann, sondern zunächst prüfen, wie man die Verwaltungsverfahren zuvor optimieren kann, um sie dann für die neuen technischen Möglichkeiten fit zu machen. Darüber wird hier im Plenum und in den Fachforen gesprochen.

CIO.de: Geht es nur darum, die Mitarbeiter zu informieren, oder ist dies auch ganz wesentlich ein Diskussionsforum?

Wilfried Bernhardt: Beides. Zum einen stehen wir hier in Sachsen kurz vor dem Ende der Legislaturperiode. Da haben wir viele der beschlossenen Aufgaben schon auf den Weg gebracht oder auch abgeschlossen. Wir halten also auch Rückschau, auf das, was erreicht worden ist.

IT und Organisation sind aber auch sehr dynamisch, so dass wir selbstverständlich nie einen abgeschlossenen Zustand erreichen, den wir verkünden könnten. Es geht uns darum, die neuesten Erkenntnisse aus der Wissenschaft zu nutzen. Wir haben renommierte Professoren, Vertreter aus der Wirtschaft und Verwaltungsexperten zu Gast. Und auch alle anderen Gäste bringen großes innovatives Potenzial in die Veranstaltung ein.

Leuchtturmprojekte Bürgerterminal und mobiler Bürgerkoffer

CIO.de: Geht es Ihnen hier auch um die Vermittlung von Visionen, die begeistern können, oder liegt Ihnen als Jurist das Akademische, Strukturierte näher?

Wilfried Bernhardt: Man braucht natürlich Visionen, die man verfolgt, große Ziele. Ein großes Ziel ist mit dem Wort "Staatsmodernisierung" umschrieben. Man braucht aber auch ganz konkrete Leuchtturmprojekte, mit denen man nach außen klar machen kann, was man konkret unter den Zielen versteht. Etwa unsere ProjekteProjekte Bürgerterminal und mobiler Bürgerkoffer: Das sind keine Visionen. Das ist schon gelebte Wirklichkeit. Sie zeigen, was es heißt, im demografischen Wandel als Verwaltung zu agieren. Das Amt ist zwar räumlich weg gerückt, die Verwaltung ist aber trotzdem noch da und sichtbar. Alles zu Projekte auf CIO.de

CIO.de: Ich habe das Gefühl, die Betonung des demografischen Wandels wirkt auf die Behördenmitarbeiter eher angsteinflößend. Sollte man der Verwaltung nicht eher Lust auf den Wandel machen?

Wilfried Bernhardt: Bundesweit gibt es nirgends ein höheres Durchschnittsalter der Bevölkerung als bei uns in Sachsen. Verwaltungsstrukturen wie heute und in der Vergangenheit werden nicht mehr finanzierbar sein. Also müssen wir uns überlegen, wie wir sie effizienter machen können. Mit modernen Lösungen sparen wir Geld, werden aber auch sichtbarer und geben dem Bürger das berechtigte Gefühl, dass er stärker einbezogen wird. Stichworte sind hier etwa: Bürgernähe und Transparenz. Auch die Mitarbeiter, die moderne Arbeitsmittel zur Verfügung gestellt bekommen, sind zufrieden. Sie sagen uns: "So ist der demografische Wandel nicht nur Bedrohung, sondern kann auch Spaß machen!"

Die Länder müssen die Dinge selbst in die Hand nehmen

CIO.de: Bei vielen Bürgern vor allem auf dem Land ist das Internet ja bisher nicht richtig angekommen. Was machen Sie gegen diesen Missstand?

Vollmundige Ankündigungen von Bund und EU

Wilfried Bernhardt: Auf EU-Ebene wollte man einmal sieben Milliarden Euro für die Breitbandförderung ausgeben, daraus ist nichts geworden. Auch auf Bundesebene gab es eine vollmundige Ankündigung der derzeitigen Großen Koalition. Übrig geblieben ist nur die Aufteilung der gesamten IT-Kompetenzen auf drei Ministerien. Wir mussten die Dinge daher selbst in die Hand nehmen. Es gibt die "Digitale Offensive Sachsen". Der Freistaat Sachsen wird voraussichtlich 200 Millionen Euro für den Breitbandausbau zur Verfügung stellen.

CIO.de: Worin besteht Ihre Kritik am Bund genau?

Wilfried Bernhardt: Es wäre an der Zeit gewesen, die IT-Zuständigkeiten auf Bundesebene noch viel stärker zu bündeln. Stattdessen hat man die IT-Kompetenzen sorgfältig auf die drei Koalitionspartner verteilt. Die CDU hat das Innenministerium, die SPD das Wirtschaftsministerium und die CSU das Verkehrs- und IT-Infrastrukturministerium.

Ohne Unterstützung der Länder und der Kommunen geht es nicht

Cornelia Rogall-Grothe ist die Beauftragte für die Informationstechnik des Bundes. Viel Macht hat sie nicht.
Cornelia Rogall-Grothe ist die Beauftragte für die Informationstechnik des Bundes. Viel Macht hat sie nicht.
Foto: BMI/Hans-Joachim M. Rickel

CIO.de: Sollte es einen CIO des Bundes mit mehr Kompetenzen geben?

Wilfried Bernhardt: Es gibt ja die Beauftragte für Informationstechnik des Bundes, Staatssekretärin Cornelia Rogall-Grothe. Ich hätte mir gewünscht, dass es zu einer stärkeren Konzentration der Kompetenzen gekommen wäre. In der aktuellen Koalition wird das aber wohl nicht mehr gelingen. Die Bundesregierung wird es in den wesentlichen Fragen schwer haben, zu einem Konsens zu kommen.

Wir haben als zentrales Gremium den IT-Planungsrat. Das ist das eigentliche Gremium, das Aktivitäten für den Bürger entfalten kann. Mit Bundesbehörden kommt der Bürger ja nur sehr eingeschränkt in Kontakt. Ohne Unterstützung der Länder und der Kommunen geht es nicht.

Länder haben "gewisse Ängste" im IT-Planungsrat

CIO.de: Wie läuft es im IT-Planungsrat?

Wilfried Bernhardt: Der IT-Planungsrat hat die Standardisierungskompetenz in E-Government-Fragen. Die Länder haben gewisse Ängste, was passiert, wenn ein Standard beschlossen wird, dem das eigene Land nicht zugestimmt hat, und wenn sie schon eigene Technologien in Auftrag gegeben haben. Deswegen haben wir bislang nur zwei Standards beschlossen. Ich hoffe, dass wir das beschleunigen können. Einige Strukturen gehören überdacht. Auch muss die Beteiligung des IT-Planungsrates an Gesetzgebungsvorhaben gestärkt und die europäische Ebene einbezogen werden. Jedoch braucht man hier noch viel Geduld.

CIO.de: Sie haben ja hier in Sachsen für den IT-Umbau auch verschiedene Gremien installiert. Es gibt einen Lenkungsausschuss, in dem aber nicht alle Ministerien vertreten sind.

Staatsmodernisierung lautet das große Ziel in Sachsen. Hier die Landeshauptstadt Dresden.
Staatsmodernisierung lautet das große Ziel in Sachsen. Hier die Landeshauptstadt Dresden.
Foto: Fotolia.com/mias

Wilfried Bernhardt: Das Projekt Staatsmodernisierung gibt es nur in Sachsen. Deswegen mussten wir uns neu aufstellen. Wir haben spiegelbildlich zum IT-Planungsrat einen IT-Kooperationsrat für die Beteiligung der kommunalen Ebene gegründet. Es gibt den Kabinettsausschuss Staatsmodernisierung mit einigen Ressorts. Diesem arbeitet der Lenkungsausschuss Staatsmodernisierung zu, dem alle Ministerien angehören und den ich leite. Das Kabinett entscheidet die grundlegenden Fragen verbindlich. Das funktioniert so sehr gut.

Edward Snowden hat alle wach gerüttelt

CIO.de: Das Thema NSA überschattet alle Fragen der Digitalisierung derzeit. Ist das eine Gefahr für Ihre Vorhaben?

Wilfried Bernhardt: Edward Snowden hat darauf aufmerksam gemacht, dass andere zu Unrecht Daten einsehen können. Er hat alle wach gerüttelt. Staat und Verwaltung müssen für Sicherheit und DatenschutzDatenschutz sorgen. Wir in Sachsen haben daher eine IT-Sicherheitsrichtlinie beschlossen, wir haben im IT-Planungsrat mit eigenen Anträgen auf eine enge Zusammenarbeit mit dem BSI hingewirkt. Schließlich haben wir unsere eigene Infrastruktur hinterfragt und beschlossen, den Aufbau von Computer Emergency Response Teams (CERT) voran zu treiben. Alles zu Datenschutz auf CIO.de

Sachsen erstes Land mit E-Government-Gesetz

CIO.de: Einige Projekte des Bundes wie De-Mail und der neue Ausweis wurden von den Bürgern bisher nicht angenommen. Muss man auch hier Geduld haben?

Wilfried Bernhardt: Durch das E-Government-Gesetz des Bundes wurden ja weitere Möglichkeiten zum Ersatz der Schriftform gesetzlich festgelegt. In Sachsen beraten wir nun als erstes Bundesland über ein Landes-E-Government-Gesetz, das die Möglichkeiten auf die Landes- und die kommunale Ebene überträgt. Damit schaffen wir weitere Angebote. Ich bin überzeugt, dass sich die Geduld, die sicherlich nötig ist, auszahlen wird.

Die "Sachsen-Cloud" für den Datenschutz

CIO.de: Sachen will ja zu den besten Ländern bei der Verwaltungsmodernisierung gehören. Was haben Sie Besonderes zu bieten?

Wilfried Bernhardt: Neben den Bürgerterminals und den mobilen Bürgerkoffern bauen wir, vor allem für technikaffinen Bürger, unseren Web-Auftritt weiter aus. In Zukunft sollen alle Anträge über das Web erledigt werden können. Mit unserem Projekt "Sachsen-Cloud" sind wir im Bereich Datenschutz weit vorne. Das gilt auch für die rechtlichen Grundlagen für die Staatsmodernisierung.

Ganz wichtig: Mitarbeiter begeistern

CIO.de: Was wünschen Sie sich noch?

Wilfried Bernhardt: Ganz wichtig ist es, in der Verwaltung eine Kulturveränderung herbeizuführen. So versuchen wir bei der flächendeckenden Einführung der elektronischen Vorgangsbearbeitung und Aktenführung bis 2016, die Mitarbeiter mitzunehmen, zu begeistern und die Chancen für sie aufzuzeigen. Durch mobile Technik können die Mitarbeiter künftig auch von unterwegs aus arbeiten. Und auch in der Justiz gilt: Es kommt nicht nur auf die Technik an, sondern darauf, den Nutzern die Vorteile ausführlich zu erläutern.

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