Höhere Preise und Cloud-only
SAP-Kunden verlieren das Vertrauen
SAPSAP lässt zahlreiche treue Kundenunternehmen im Stich. So lautet das Fazit der Deutschsprachigen SAP-Anwendergruppe (DSAG) hinsichtlich der jüngsten strategischen Entscheidungen ihres Softwarelieferanten. Die SAP-Verantwortlichen hatten zuletzt durchblicken lassen, Innovationen nur noch für ihre Cloud-Lösungen bereitzustellen. Außerdem sollen die Wartungsgebühren ab dem kommenden Jahr teurer werden. Alles zu SAP auf CIO.de
Um bis zu fünf Prozent müssen SAP-Anwender ab 2024 mehr für ihren Softwaresupport nach Walldorf überweisen. Das gilt SAP zufolge für den Standard wie für den Enterprise Support. Die Option, die Wartungspreise zu erhöhen, hält sich SAP in den entsprechenden Verträgen offen. Gekoppelt sind diese Erhöhungen an den Verbraucherpreisindex. Angesichts der weiterhin hohen Inflation keine guten Aussichten für SAP-Kunden. Allerdings werden die Steigerungen bei maximal fünf Prozent gedeckelt.
On-premises-Landschaften erforderten komplexe und intensive Support- und Wartungsverfahren, die sich über mehrere Versions- und Hardwarekombinationen erstreckten, begründen die SAP-Verantwortlichen die Preiserhöhung. Dazu gehöre auch die Anpassung der Software an neue Vorschriften und Gesetze. Bereits heute unterstütze man über 850 lokale ERP-Versionen und habe bis 2022 über 1.200 gesetzliche Änderungen in die eigenen ERP-Systeme eingearbeitet, hieß es von Seiten SAPs.
Anwender achten auf den Gegenwert für ihre Wartungsgebühren
Dem größten deutschen Softwarekonzern würde eine solche Preiserhöhung viel Geld in die Kasse spülen. Im vergangenen Jahr hatte SAP rund 11,9 Milliarden Euro mit Softwaresupport eingenommen, immerhin etwa 40 Prozent vom Gesamtumsatz (29,5 Milliarden Euro) und mehr als im so wichtigen, weil zukunftsträchtigen Cloud-Business (11,4 Milliarden Euro). Die Preiserhöhung bei der Wartung könnte SAP einen dreistelligen Euro-Millionenbetrag an Mehreinnahmen bescheren. Dazu kommt eine extrem hohe Bruttomarge. Diese lag für den Bilanzposten Softwarelizenzen und -support im vergangenen Jahr bei gut 90 Prozent.
50 Jahre SAP: Der Softwarekonzern steht am Scheideweg
SAP-Anwender schauen schon seit vielen Jahren sehr kritisch darauf, was sie für ihre Wartungsgebühren bekommen. Als der Softwarekonzern Mitte 2008 überraschend den Wartungssatz von 18 auf 22 Prozent des Lizenzlistenpreises pro Jahr anhob, rebellierten die Kunden und zwangen das Management, die Wartungsstrategie wieder zu ändern. Den damaligen SAP-Chef Leo Apotheker kostete das Wartungsdebakel letztlich den Job.
Auch jetzt werden wieder Fragen lauter, welchen Gegenwert die Kunden für ihre Wartungsgebühren bekommen. Waren früher in Zeiten des klassischen Lizenz-Wartungsgeschäfts funktionale Erweiterungen und Innovationen im Support inbegriffen, verändert sich die Balance derzeit massiv. SAP setzt konsequent auf seine Cloud-Lösungen und konzentriert dementsprechend seine Entwicklungsressourcen. Anwender mit On-premises-Installationen bleiben außen vor. Für sie scheint SAP nur noch das Nötigste zu tun, sprich gesetzliche Änderungen in seiner Software abzubilden. Funktional tut sich an dieser Stelle offenbar nur noch wenig.
Das stößt den DSAG-Verantwortlichen sauer auf. "Die funktionale Weiterentwicklung war schon immer ein Bestandteil der Wartung", heißt es in einer Mitteilung der Anwendervertretung. "Dementsprechend muss sich SAP einmal mehr die Frage nach dem Gegenwert der Wartungsgebühren stellen."
SAPs On-premises-Kunden gehen bei Innovationen leer aus
Überhaupt wächst in Reihen der SAP-Anwender die Kritik an der Innovationsstrategie des Softwareherstellers. Erst im Juli 2023 hatte Konzernchef Christian KleinChristian Klein noch einmal deutlich gemacht, dass Softwareinnovationen in Zukunft nur noch in der Cloud verfügbar sein sollen. Konkret meint der SAP-CEO damit laut DSAG die S/4HANA Cloud in der Public und Private Edition, allerdings mit einer weiteren Einschränkung: Kunden müssten einen Rise-with-SAP- oder Grow-with-SAP-Vertrag unterschrieben haben. Darunter versteht SAP Bundles aus eigener Software, Ressourcen eines Cloud-Anbieters wie AWS, Google oder Microsoft, und das Ganze unterlegt mit dazu passenden Services. Profil von Christian Klein im CIO-Netzwerk
Anwenderunternehmen, die im Zuge ihrer S/4HANA-Migration On-premises im eigenen Rechenzentrum geblieben sind, beziehungsweise selbst oder mit Hilfe eines Service-Providers in die Cloud umgezogen sind, gehen aus Sicht der Anwendervertreter in Sachen SAP-Innovation leer aus. "Aus DSAG-Sicht ist das eine 180-Grad-Wende zu den bisherigen Äußerungen", interpretiert der DSAG-Vorstandsvorsitzende Jens HungershausenJens Hungershausen die SAP-Strategie. "SAP hatte zuvor behauptet, Verbesserungen nicht auf cloudbasierte Angebote beschränken zu wollen. Die Aussage ist ein schwerer Schlag. Sie kommt einem Paradigmenwechsel gleich." Profil von Jens Hungershausen im CIO-Netzwerk