Plattform-Ökonomie

Maschinenbauer Uhlmann baut Geschäftsmodell aus

Martin Bayer ist Chefredakteur von COMPUTERWOCHE, CIO und CSO. Spezialgebiet Business-Software: Business Intelligence, Big Data, CRM, ECM und ERP.
In ihrer digitalen Transformation macht die Uhlmann Pac-Systeme GmbH & Co. KG nicht an den Firmengrenzen halt. Der neue Bereich Digital Solutions hat eine Plattform für die gesamte Lieferkette in der Pharmabranche gebaut.
Hauptsitz von Uhlmann in Laupheim.
Hauptsitz von Uhlmann in Laupheim.
Foto: Uhlmann

Uhlmann sieht aus wie der Prototyp des typischen deutschen Mittelständlers: Maschinenbauer, gegründet 1948 im oberschwäbischen Laupheim, Familien-geführt, hierarchisch geprägte Organisation, aktuell etwa 1.600 Mitarbeiter - grundsolide, traditionell, konservativ. Das Geschäft mit den Verpackungsmaschinen für die Pharmabranche lief gut. Kein Grund also, Dinge zu verändern oder gar den ganzen Betrieb auf den Kopf zu stellen. Das schwäbische Beharrungsvermögen war stark ausgeprägt im Sinne von: "Des hot ma hier scho immer so gmacht".

Auf den ersten Blick erweckt die Uhlmann Pac-Systeme GmbH & Co. KG nicht den Eindruck, sich als Speerspitze in Sachen digitaler Transformation im Markt zu präsentieren. Doch weit gefehlt: Innovationen gegenüber waren die Uhlmann-Verantwortlichen von jeher aufgeschlossen - und mussten es auch sein. Der Pharmasektor wird seit vielen Jahren weltweit scharf reguliert. Medikamente müssen beispielsweise von der Apotheke bis zur Produktion zurückverfolgt werden können. Das lückenlos und exakt nachzuvollziehen, ist elementar bei Produktrückrufen. Darauf hat sich auch Uhlmann einstellen müssen. Seit 2008 entwickelt und baut der schwäbische Mittelständler dafür beispielsweise sogenannte "Track & Trace"-Lösungen.

Eine digitale Transformation kann nicht nebenbei laufen, sondern muss Teil der Unternehmensstrategie sein, sagt Kathrin Günther, die bei der Uhlmann Pac-Systeme GmbH & Co. KG den Bereich Digital Solutions leitet.
Eine digitale Transformation kann nicht nebenbei laufen, sondern muss Teil der Unternehmensstrategie sein, sagt Kathrin Günther, die bei der Uhlmann Pac-Systeme GmbH & Co. KG den Bereich Digital Solutions leitet.
Foto: Uhlmann

So verwundert es nicht, dass sich die Uhlmann-Verantwortlichen schon früh die Frage stellten, was digitale Transformation für den Maschinenbauer bedeuten könnte. Eine Antwort sollte Kathrin Günther finden, die im März 2016 als "Head of Sales Support Software & Automation" eingestellt wurde. Die Wirtschaftsingenieurin packte das Thema mit Elan an und machte dabei nicht an den Unternehmensgrenzen halt. Der digitale Wandel sollte sich nicht nur auf die einzelne Maschine und auch nicht nur auf den Verpackungsprozess beschränken. "Beyond packaging" lautet das Motto für Uhlmanns Digitalisierungsplan, die gesamten Pharma-Wertschöpfungskette soll mit digitalen Lösungen vernetzt werden.

Wie Günther die digitale Transformation bei Uhlmann auf die Schiene setzte, überzeugte die Jury des diesjährigen Digital Leader Award (DLA). Das waren die wichtigsten Schritte:

  • Die Managerin startete mit Design-Thinking-WorkshopsDesign-Thinking-Workshops gemeinsam mit Kunden, um mehr über deren Anforderungen und Wünsche zu erfahren. Dabei wurden alle Bereiche bei Uhlmann mit eingebunden, um die Kundenbeziehungen aus möglichst vielen Perspektiven zu betrachten und so zu einer ganz neuen Kundenorientierung zu gelangen. Alles zu Design Thinking auf CIO.de

  • 2018 folgte die Gründung eines Digital LabDigital Lab. Es sollte allen Beteiligten einen geschützten Raum für neues Führen, Denken und Arbeiten bieten und als Katalysator für die digitale Transformation dienen, zum Beispiel mit Digital Experience Days, um für die neuen Themen zu werben. Extern vernetzte sich das Lab mit Partnern, Start-ups und Digitalisierungsteams anderer Branchen. Alles zu Digital Lab auf CIO.de

  • 2019 formte Günther aus dem Digital Lab und den drei vorhandenen Software-Teams die Business Unit "Digital Solutions". So bekam die digitale Transformation nicht nur einen Platz in der Strategie, sondern auch in der Organisation des Unternehmens.

Pexcite überwacht Kühlkette für Corona-Impfstoffe

Die ersten Resultate ließen nicht lange auf sich warten. Mit "Pexcite" hat das Digitalteam von Uhlmann eine modulare Software-Plattform für die Digitalisierungsanforderungen der Pharma-Produktion gebaut. Die Plattform vernetzt Maschinen aller Hersteller entlang des pharmazeutischen Produktions- und Verpackungsprozesses. Über Dashboards und Analyse-Tools erhalten Nutzer Einblicke in sämtliche Daten - für eine Produktionslinie, ein ganzes Werk oder weltweit.

Gerade bei den Corona-Impfstoffen kommt es auf eine möglichst effiziente Logistik an - von der Produktion bis zum Patienten.
Gerade bei den Corona-Impfstoffen kommt es auf eine möglichst effiziente Logistik an - von der Produktion bis zum Patienten.
Foto: M-Foto - shutterstock.com

Über Pexcite ist es zum Beispiel möglich, die Kühlkette bei der Abfüllung von Corona-Impfstoffen zu überwachen - von der tiefgekühlten Rohstoffanlieferung bis zur versandfertigen Palette. "Was vorher mit händischen Zeiteinträgen in einen Laufzettel kaum zu lösen gewesen wäre, funktioniert jetzt über Scanner, 2D-Codes, kombiniert mit Track & Trace, ganz einfach und sicher", berichtet Günther. Pexcite adressiere die Schmerzpunkte in der Pharmaproduktion - komplexe Systemlandschaften, Prozesse auf Papier und in Excel sowie inhomoge Daten und Einzelreports für jede Maschine.

Digitale Transformation läuft nicht nebenbei

Die Transformation Uhlmanns vom Maschinenbauer mit Service- und IT-Abteilung zum Total Solution Provider trägt Früchte. Digitale Lösungen etablieren sich als drittes Standbein im Geschäftsmodell des schwäbischen Mittelständlers. Aus Sicht Günthers reichen die Veränderungen tief: Die digitale Transformation ist keine Produkt- sondern eine Unternehmenstransformation, sagt die Leiterin des Bereichs Digital Solutions. Es brauche das hundertprozentige Commitment des Managements und des Inhabers sowie Investitions- und Veränderungsbereitschaft, damit sie gelingt. "Sie läuft nicht nebenbei, sondern muss Teil der Unternehmensstrategie sein."

Das Team Digital Solutions bei Uhlmann hat offensichtlich Spaß an der digitalen Transformation.
Das Team Digital Solutions bei Uhlmann hat offensichtlich Spaß an der digitalen Transformation.
Foto: Uhlmann

Dazu brauche es auch einen Kulturwandel. Klassische FührungFührung müsse durch AgileAgile Leadership abgelöst werden - mit einer starken Orientierung an den Kunden, der Akzeptanz von Unsicherheiten und Fehlern sowie einem großen Vertrauen in die Teams. "Dieser Weg bedeutet eine ständige Weiterentwicklung - eine digitale Transformation ist nicht nach zwölf Monaten abgeschlossen", stellt Günther fest. Zudem komme man weiter, wenn man nicht alleine geht, sondern im Netzwerk kollaboriert. Alles zu Agile auf CIO.de Alles zu Führung auf CIO.de

Der Erfolg gibt der Managerin Recht. Im Geschäftsjahr 2020/2021 erzielten die rund 160 Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen des Geschäftsbereichs "Digital Solutions" einen Umsatz im mittleren zweistelligen Millionenbereich und trugen damit fünf Prozent zum Umsatz bei. Dabei soll es nicht bleiben, angepeilt sind bereits zehn Prozent, gibt Günther das nächste Ziel vor. "Wir sind 2016 auf unsere digitale Reise gestartet - und noch lange nicht am Ende angekommen!"

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