Das Krisen-Cockpit der Swisscom AG
Telekomgeschäft weitgehend krisenresistent
Nicht nur in wirtschaftlich prekären Zeiten muss die Swisscom AG, das Pendant zur deutschen Telekom aus der Schweiz, finanzielle Herausforderungen stemmen: "Jedes Jahr beschert uns die Preiserosion auf dem Markt einen Umsatzverlust von rund vier Prozent", berichtet Ueli Dietiker, Leiter FinanzenFinanzen & Controlling Konzern und Stellvertretender CEO der Swisscom AG, auf dem CFO-Forum am 18. November in Zürich. Bei einem Nettoumsatz von rund zwölf Milliarden Schweizer Franken wären das jährlich mehr als 400 Milliarden Franken an Umsatzverlust, die bei der Swisscom dank sinkender Marktpreise anfallen Top-Firmen der Branche Finanzen
Bisher konnte das Unternehmen die Preiserosion durch neue Wachstumsbereiche und Kosteneinsparungen größtenteils auffangen, doch die neue unsichere Wirtschaftslage warf die Frage nach weiteren Herausforderungen für das Geschäft der Swisscom auf. "Wir wollten vorbereitet sein und mithilfe einer guten finanziellen FührungFührung das Schlimmste verhindern", erzählt Dietiker seinen Kollegen in Zürich. Im Anschluss an einen Krisen-Workshop im Februar 2009 hatte das Group Controlling der Swisscom AG daher ein strategisches Instrument entwickelt, das Geschäftsumfeld und Kundenverhalten transparent darstellt und so die Qualität von Steuerung und Planung erhöhen soll: das Krisen-Cockpit.
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Das Krisen-Cockpit bündelt monatlich geschäftskritische Informationen: externe und interne, finanzielle und nicht finanzielle sowie "vorauseilende und nacheilende". Konzernleitung und Verwaltungsrat erhalten so die wesentlichen Indikatoren zu Konjunktur, Geschäft und Kunden auf einen Blick. "Aus unserer Historie wissen wir, dass das Telekomgeschäft nur eine geringe Korrelation mit dem Wirtschaftszyklus aufweist", erklärt Daniel Stamm, Leiter des Group Controlling und Planning der Swisscom AG, der sich für das Krisen-Cockpit verantwortlich zeichnet. "Sollte das Gleiche auch für unsere neuen Geschäftsbereiche wie Mobilfunk, Breitband und Internet gelten?" fragt Stamm. Zwar ging man von dieser Tatsache aus, doch gleichzeitig sei die Unsicherheit wegen der wirtschaftlichen Lage groß gewesen. Das Krisen-Cockpit sollte das Gespür für Kapitalmärkte, Realwirtschaft und Business verfeinern. Es fasst wesentliche KPIs und Indikatoren aus vier Bereichen zusammen:
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Makroökonomische und Finanzmarktkennzahlen wie das Bruttoinlandsprodukt und die Arbeitslosenzahlen der Schweiz, die Anzahl der Konkurse und Firmengründungen oder der Stand von Zinsen und Kreditzuschlägen "Diese Indikatoren geben uns einen guten Überblick über die Lage auf den Finanzmärkten und in der Realwirtschaft", sagt Stamm.
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Interne finanzielle Kennzahlen wie die Zahlungsfristen der Debitoren nach Kundensegmenten, effektive Debitorenverluste oder die Kennzahlen aus der Kreditprüfung neuer Kunden. "Wir prüfen die Bonität unserer Kunden und wenn sich diese verschlechtert, ist das einen Indikator dafür, dass sich die Zahl der Neukunden verringern wird", erklärt Stamm.
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Zahlen zu Kundenbeständen und Kundenmigration, wie die Zuwächse in einzelnen Kundensegmenten und die Wechselbereitschaft der Telekomkunden generell. "Indem wir diese Indikatoren zusammenführen, finden wir heraus, wie sich der Markt entwickelt und welche Kosten für Kundenakquise und Kundenbindung auf uns zukommen", sagt Stamm. Um die Wechselbereitschaft der Kunden zu ermitteln, hat die Swisscom zudem ein Marktforschungsinstitut beauftragt, monatlich eine repräsentative Umfrage unter Telekomkunden aus der ganzen Schweiz durchzuführen.
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Zahlen zum Kundenverhalten wie die Anzahl der verkauften Mobilfunkverträge oder der durchschnittliche Umsatz pro Kunde und Minute im Mobilfunk- oder Roaming-Bereich. "Wir wollen ermitteln, wie das Kundenverhalten sich im Laufe der Zeit verändert und wie dieses mit der Konjunktur zusammenhängt", sagt Stamm. "Telefonieren Menschen in wirtschaftlich schlechten Zeiten weniger? Laden sie ihre Prepaid-Karten seltener auf?"
Um das Kundenverhalten besser vorhersagen zu können, hat die Swisscom ein externes Marktforschungsinstitut mit einer so genannten "Sensitivitätsanalyse" beauftragt. Eine repräsentative Zahl von Menschen wird jeden Monat gefragt, auf welches Konsumgut sie am ehesten verzichten könnte. Die Ergebnisse zeigen: Am geringsten verbreitet scheint unter den Schweizern das Bedürfnis zu sein, sich ein neues Auto, neue Möbel oder neue Kleidung zu kaufen. Am wenigsten verzichten können die Befragten auf: "Internet", "Mobiltelefon", "Festnetz" oder "TV".
Wie die anderen Indikatoren im Krisen-Cockpit, deutet auch die Sensitivitätsanalyse darauf hin, dass nicht nur das Telekomgeschäft, sondern auch die neueren Geschäftsbereiche der Swisscom wie Mobilfunk, Breitband und Internet relativ konjunkturresistent und damit krisenstabil sind. Lieber verzichten die Schweizer auf neue Möbel als auf ihren Handy-Vertrag.
"Wie erwartet hat Telekommunikationsbranche bis jetzt nicht stark auf den Wirtschaftsabschwung reagiert", resümiert Dietiker für seine Kollegen auf dem CFO-Forum. Zwar sei ein Anstieg der Arbeitslosigkeit und damit auch eine erhöhte Preissensitivität der Kunden zu befürchten, doch habe die Swisscom ihre Hausaufgaben gemacht. Das Krisen-Cockpit werde Steuerungs- und Planungsqualität erhöhen und dabei helfen, Risiken zu entdecken und Chancen auszumachen.