Trotz Arbeitsschutzgesetz

Vier von zehn Betrieben messen psychische Belastungen nicht

Christiane Pütter ist Journalistin aus München.
Gut vier von zehn Unternehmen erfassen psychische Belastungen ihrer Mitarbeiter nicht, obwohl das Arbeitsschutzgesetz 2013 um diesen Punkt erweitert wurde. Die Verantwortung für eine solche Erfassung trägt mal die Geschäftsleitung, mal der Betriebsrat oder die jeweiligen Vorgesetzten.
  • Aspekte möglicher psychischer Gefährdung am Arbeitsplatz sind Überforderung, Zeitdruck und soziale Kontakte
  • Der Gesetzgeber verlangt eine aktive Beteiligung der Beschäftigten bei der Gefährdungsbeurteilung
  • Drei von vier Entscheidern schätzen den Aufwand solcher Erfassungen als gering bis mittel ein

Vor dem Hintergrund der wachsenden Zahl an Wissensarbeitern und den Folgen im Hinblick auf steigenden StressStress hat der Gesetzgeber eine psychische Gefährdungsbeurteilung 2013 zur Pflicht erklärt. Der Würzburger Berater Scopar hat rund 100 deutsche Entscheider nach der Umsetzung dessen befragt. Fazit: 41 Prozent erheben psychische Belastungen am Arbeitsplatz nicht. Weitere 15 Prozent konnten die Frage nicht beantworten - sie wissen es nicht. Alles zu Stress auf CIO.de

Der Gesetzgeber verlangt von Unternehmen eine "Gefährdungsbeurteilung" in Hinsicht auf psychische Belastungen am Arbeitsplatz.
Der Gesetzgeber verlangt von Unternehmen eine "Gefährdungsbeurteilung" in Hinsicht auf psychische Belastungen am Arbeitsplatz.
Foto: cunaplus - shutterstock.com

Laut Scopar dreht sich die Frage nach der psychischen Gefährdung um folgende Aspekte: Sind Beschäftigte mit ihren Aufgaben überfordert? Herrscht hoher Zeitdruck? Leisten sie Nacht- oder Schichtarbeit? Haben sie zu wenige soziale Kontakte am Arbeitsplatz? Müssen sie mit schwierigen sozialen Kontakten zurechtkommen?

Die Unternehmen, die solche Gefährdungen erfassen, wenden unterschiedliche Maßnahmen an. So stützen sie sich auf Tätigkeitsanalysen und -beschreibungen (22 Prozent), begehen den Arbeitsplatz gemeinsam mit dem Betriebsarzt oder einer Fachkraft für Arbeitsplatzsicherheit (19 Prozent) oder befragen die Mitarbeiter anonym (17 Prozent). Weitere Mittel sind Fehlzeitenstrukturanalysen (14 Prozent) und moderierte Gruppenworkshops (dreizehn Prozent). Seltener sind Altersstrukturanalysen (zehn Prozent) und betriebliche Gesundheitsberichte durch den Betriebsarzt oder die Krankenkasse (sieben Prozent).

Scopar bescheinigt den Studienteilnehmern "trotz vorhandener Bestandteile der Betrieblichen Gesundheitsförderung (BGF) grundsätzlich noch Informationsdefizite zum Thema Gesundheitsförderung und zu Belastungsanalysen". Die Berater betonen, dass der Gesetzgeber explizit eine aktive Beteiligung der Beschäftigten verlangt. Mit der Auswertung von Kennzahlen allein ist es nicht getan.

Dabei schätzt nur gut jeder Zehnte Befragte (elf Prozent) den Aufwand bei der Messung psychischer Belastungen als "hoch" oder "sehr hoch" ein. Rund jeder Zweite (49 Prozent) rechnet mit "mittlerem" Aufwand und gut jeder Vierte (26 Prozent) spricht von "geringem" Aufwand.

Die Verantwortung dafür, dass solche Rechtsvorgaben umgesetzt werden, sieht knapp jeder Zweite (48 Prozent) bei der Geschäftsleitung. Als zuständig gelten aber auch der Betriebsarzt und die Personalabteilung oder ein eigener Arbeitskreis Gesundheit (jeweils 27 Prozent), sowie interne oder externe Sicherheitsfachkräfte (26 Prozent). Rund jeder Fünfte nimmt die direkten Vorgesetzen (22 Prozent) oder den Betriebsrat in die Pflicht (21 Prozent).

Zu viel Arbeit, zu wenig Spielraum

Den Hauptgrund für psychische Erkrankungen sieht die Mehrzahl der Befragten (57 Prozent) bei den Arbeitsinhalten. Konkret: die Mitarbeiter haben zu viel Arbeit oder zu wenig Spielraum oder Verantwortung und Qualifikation stimmen nicht. 43 Prozent nennen außerdem die Organisation der Arbeit, also Arbeitszeit und Arbeitsablauf, aber auch Kommunikation und Kooperation. Soziale Faktoren wie Kollegen und Vorgesetzte führen 36 Prozent der Studienteilnehmer an.

Scopar appelliert an Entscheider, ihr Unternehmen im Hinblick auf die gesetzliche Pflicht einer Gefährdungsbeurteilung "dringend auf den neuesten Stand" zu bringen. "Und dies ist nicht nur von Bedeutung, um die gesetzliche Vorgabe zu erfüllen, sondern, um leistungsfähige und leistungsbereite Beschäftigte als Basis eines funktionierenden Betriebs zu gewährleisten", schreiben die Berater.

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