Schwarmintelligenz
Warum sich Ameisen nicht optimieren lassen
Christoph Lixenfeld, seit 25 Jahren Journalist und Autor, vorher hat er Publizistik, Romanistik, Politikwissenschaft und Geschichte studiert.
1994 gründete er mit drei Kollegen das Journalistenbüro druckreif in Hamburg, schrieb seitdem für die Süddeutsche Zeitung, den Spiegel, Focus, den Tagesspiegel, das Handelsblatt, die Wirtschaftswoche und viele andere.
Außerdem macht er Hörfunk, vor allem für DeutschlandRadio, und produziert TV-Beiträge, zum Beispiel für die ARD-Magazine Panorama und PlusMinus.
Inhaltlich geht es in seiner Arbeit häufig um die Themen Wirtschaft und IT, aber nicht nur. So beschäftigt er sich seit mehr als 15 Jahren auch mit unseren Sozialsystemen. 2008 erschien im Econ-Verlag sein Buch "Niemand muss ins Heim".
Christoph Lixenfeld schreibt aber nicht nur, sondern er setzt auch journalistische Produkte ganzheitlich um. Im Rahmen einer Kooperation zwischen Süddeutscher Zeitung und Computerwoche produzierte er so komplette Zeitungsbeilagen zu den Themen Internet und Web Economy inklusive Konzept, Themenplan, Autorenbriefing und Redaktion.
In der Regel kassieren sie nur 85 Prozent ihrer Arbeitszeit, zwischendurch warten sie auf Kunden. Der zuständigen ‚Effizienzameise‘ würde diese Zahl gar nicht gefallen, sie würde mindestens zehn Prozent der Kassierer entlassen, damit die anderen besser ausgelastet sind.
Die Folge? Sobald der Laden voll ist, entstehen an den Kassen lange Schlangen, weil es zu wenige Kassierer gibt. Passiert das oft, geht ein Teil der Kunden wegen der langen Wartezeiten beim nächsten Mal in einen anderen Laden. Die Maßnahme wäre also, salopp gesagt, der klassische Schuss in den eigenen Fuß.
Ständige Überlastung
Gunter Dueck nennt noch ein Beispiel: Krankenhaus, Notaufnahme. Die Station ist randvoll, Betten stehen auf den Fluren. Trotzdem werden immer neue Fälle eingeliefert, viele bluten. Wen behandelt der diensthabende Notarzt zuerst? Den, dem es am schlechtesten geht? Wie will der Arzt das bei dem StressStress und den vielen Fällen in wenigen Sekunden beurteilen? Den, der am lautesten schreit vor Schmerz? Alles zu Stress auf CIO.de
In jedem Fall, das ist die Quintessenz der Geschichte, kann der Arzt durch seine ständige Überlastung keine medizinisch fundierte Entscheidung mehr treffen. Er hat keine Zeit mehr, über den Tag hinaus nachzudenken, zum Beispiel über notwendige Anschaffungen auf der Station oder über Personalplanung.
Vor sich nichts als Eskalation
Unzählige Manager, sagt Gunter Dueck, fühlen und handeln genau wie dieser Arzt: "Alles, was sie vor sich sehen, ist Eskalation, Priorisierung wird unmöglich, weil sie ausschließlich Feuerwehr spielen, also von morgens bis abends ausschließlich Probleme lösen. InnovationInnovation und Nachhaltigkeit fallen hinten runter." Alles zu Innovation auf CIO.de
Gerade hoch Qualifizierte sollten seiner Ansicht nach höchstens zu 85 Prozent ausgelastet sein, damit sie Luft haben, strategisch zu denken. "Das Optimum ist etwas völlig anders als das erzielbare Maximum. Das erzielbare Maximum ist dumm."
Die Ursache des schädlichen Optimierungswahns sieht Dueck bei großen Konzernen im Shareholder-Value, im Druck, den Aktionäre und Analysten auf das Management ausüben. Ändern lässt sich das seiner Meinung nach nur durch radikale Maßnahmen. "Wer die ständige Überlastung beenden will, muss das ganze System ändern, dass den Druck erzeugt. Anders geht es nicht."
Sektempfang als Belastungstest
Wobei: Unternehmen, die diesen Zwängen nicht ausgesetzt sind, können durchaus gegensteuern, wenn der Chef das Problem begriffen hat.
Gunter Dueck kennt einen Mittelständler, bei dem es freitags um halb sechs immer ein Glas Sekt gibt. Wenn dabei nur wenige Mitarbeiter erscheinen, weiß der Chef, dass seine Leute überlastet sind. Dann reduziert er das Arbeitspensum.
Offen kommuniziert wird die Tatsache, dass der kleine Empfang auch ein Belastungstest ist, allerdings nicht. Sonst käme der eine oder andere Mitarbeiter noch auf die Idee, nicht hinzugehen, um überlastet zu wirken.
"Das ist aber keineswegs selbstverständlich", sagt Gunter Dueck. "In ganzen vielen Unternehmen sind die Chef so unbedarft, den Leuten ihre Tricks auch noch auf die Nase zu binden."
- Niemand muss erscheinen
Mitarbeitern, die sich sichtbar langweilen, sollte für die Zukunft Abstinenz empfohlen werden. - Kekse auch weg!
Unterernährung ist in deutschen Büros selten. Kekse braucht niemand, die machen nur dick und schläfrig. - Kühl und frisch
Ist der Konferenzraum schlecht geheizt, verkürzt sich die Dauer des Meetings spürbar. - Klare Moderation
Klare Moderation hilft und strafft. Vorne stehen muss dabei aber nicht immer der Chef. Es kann auch eine Praktikantin sein, die sich gerade in das Thema eingearbeitet hat. - Kleine Gruppen
Jedes Meeting mit mehr als sieben Menschen gilt als ineffektiv. - Zwei Themen sind genug
Wer fünf Themen ansetzt, lockt potenziell 30 Leute in den Konferenzraum, von denen die meisten nur ein Thema kennen, aber trotzdem zu allen fünf ihren Senf abgeben. - Bei der Sache bleiben
Von Hölzchen auf Stöckchen zu kommen und wieder zurück, kann amüsant sein, führt aber nirgendwo hin. - Auch mal stehen bleiben
Schnelle Meetings im kleinen Kreis sollten ohne Stühle stattfinden. Das erhöht die Konzentration, außerdem kann dabei niemand mit seinem Smartphone spielen, ohne krass desinteressiert zu wirken. - Smartphones weg!
Der Kollegin mal eben den neuen Hund zeigen? Derartigen Quatsch während des Meetings sollte der Moderator schon im Vorfeld unterbinden. - Pünktlich vorne und hinten
Meetings sollten pünktlich beginnen und enden. Wer immer zu spät kommt, sagt damit: "Mich interessiert Euer Kram nicht."
Gunter Dueck
Schwarmdumm
So blöd sind wir nur gemeinsam
Campus Verlag
324 Seiten, 24,99 Euro, als E-Book 20,99 Euro.