Gamifikation
Wer spielt, arbeitet motivierter
Den Spieltrieb entdeckt
Walz nutzt seine persönlichen Erfahrungen und entwickelt gerade mit seinem Team in Karlsruhe gemeinsam mit dem Pharmakonzern Novartis ein Spiel: Es soll Diabetes-Patienten spielerisch dazu animieren, ihren Lebensstil nachhaltig zu ändern, sich gesünder zu ernähren und sich mehr zu bewegen.
Die Erwartung ist: Spielerische Elemente sollen die Motivation steigern. Das klappt auch am Arbeitsplatz bestens, wie Byron Reeves herausfand, Professor für Kommunikationswissenschaft an der Stanford-Universität. Ein wesentliches Element sei dabei ein deutliches und sofortiges Feedback auch nach kleinen Projekterfolgen und nicht erst am Jahresende in Form eines Bonus. Das entspricht der Strategie in Spielen, eine Aufgabe - etwa einen Feind zu besiegen - in viele kleine Abschnitte zu zerlegen und das Erreichen einer neuen Stufe mit Punkten und Auszeichnungen zu feiern.
Das Prinzip ist nicht neu. Die Initiatoren machen sich ein Konzept zunutze, das die Verhaltenstherapie schon in den Sechzigerjahren nutzte: Die sogenannte Token Economy ist ein systematisches Belohnungssystem, das durch die gezielte Vergabe von Tauschgegenständen, etwa Münzen, Verhalten ändern soll. Tut der Betreffende das Gewünschte, erhält er Tokens. Die kann er dann nach einem festgelegten Plan in begehrte Aktivitäten oder Dinge tauschen, etwa fünf Tokens in einen Kinobesuch. Was heute chic Gamifikation heißt, ist im Grunde eine Weiterentwicklung dieses Systems, das ursprünglich in psychiatrischen Anstalten oder Gefängnissen angewandt wurde. Heute wird es vor allem um spielerische Elemente ergänzt, beispielsweise aus Fantasy-, Baller- oder Rollenspielen.
- The Fun Theory
The Fun Theory war ein Wettbewerb von Volkswagen Schweden, der Spielideen auszeichnete, um unser Umweltverhalten unterhaltsam zu verändern. Ein Beispiel ist ein Altglas-Container, der wie ein Spielautomat das Entsorgen belohnt, oder ein interaktives Treppen-Klavier, das den Stromfresser Rolltreppe öde werden lässt. - Re-Mission
Re-Mission ist ein 3-D-Action-Spiel über den Kampf gegen Krebs. Es wurde für krebskranke Kinder entwickelt und steht kommerziellen Spielen kaum nach. Es erhöht bei jungen Patienten nachweislich die Therapietreue. - Wii Fit
Ein virtuelles Fitnessspiel von Nintendo, das auf einst revolutionäre Weise den Workout ins Wohnzimmer holte. Für alle diejenigen, die zu faul sind, im Freien oder im Fitnessstudio Sport zu machen. - 1378
1378 ist eine Modifikation des Computerspieles Half-Life 2. Es handelt vom innerdeutschen Grenzkonflikt, welcher aus verschiedenen Perspektiven entweder bis zur erfolgreichen Flucht oder bis zum Mauerschützenprozess durchspielt werden kann. - Foldit
Foldit macht Forschung über das optimale Falten von Proteinen zur Puzzleherausforderung der Massen. Freiwillige lösen räumliche Probleme, an denen Rechner scheitern. - Nike+
Nike+ zählt zu den Pionieren der Gamifikation. Mithilfe verschiedener Produkte - vom Sensor im Laufschuh über das Armband Fuelband sowie eine Reihe mobiler Applikationen - überwacht das System sportliche Aktivitäten, übersetzt diese in einen Spielstand, mit dem sich der Nutzer mit anderen vergleichen kann. - Foursquare
Foursquare ist ein ortsbasiertes soziales Netzwerk, das Vorbild für viele oft weitaus weniger inspirierte Gamifikation-Anwendungen ist: Die kopieren einfach die Foursquare-Standards wie Punkte, Abzeichen und Ranglisten.
Ein Vorbild ist etwa das weltweit meistverkaufte Handyspiel des finnischen Entwicklerteams Rovio Entertainment namens Angry Birds (englisch für Zornige Vögel). Innerhalb des Spiels gibt es ein klares Ziel: Eliminiere möglichst viele grüne Schweine, indem du sie und ihre Verstecke mittels Steinschleudern mit Vögeln beschießt. Der Spieler erhält bei jedem abgefeuerten Federvieh sofort Feedback, indem er beispielsweise ihren Einschlag hört, Objekte lautstark explodieren sieht oder Jubel ertönt. Anschließend summiert das Spiel die Punkte für die erbrachte Leistung. All diese Aspekte stimulieren das Unterbewusstsein weiterzumachen. Der Spieler will seine Fähigkeiten und die erreichten Punktestände kontinuierlich verbessern.
Solche Spiele gibt es schon eine Weile, Angry Birds stammt beispielsweise aus dem Jahr 2009. Die Frage ist: Warum entdecken die Firmen ausgerechnet jetzt den Spieltrieb? Ganz einfach: Weil ihre Kunden und Mitarbeiter genau das erwarten. "Wer heute in den Beruf kommt, hat schon mehr als 10.000 Stunden mit Videospielen verbracht", erklärt Mario Herger, der für das Walldorfer Softwareunternehmen SAPSAP eine weltweite Initiative zur Gamifizierung im Unternehmen leitet und jetzt mit seiner Firma Enterprise Gamification Consultancy von Kalifornien aus Unternehmen bei der Gamifizierung berät. Er ist überzeugt, dass alle Firmen in Zukunft nicht umhin kommen, ihr Geschäft für die Berufsstarter kompatibel zu machen. Die Generation YGeneration Y gehe dahin, wo ein Spiel läuft, ist Heike Simmet, Professorin für Betriebswirtschaftslehre in Bremerhaven, überzeugt. Alles zu Generation Y auf CIO.de Alles zu SAP auf CIO.de
SAP ist nicht alleine, es gibt in vielen Branchen (siehe oben) eindrucksvolle Beispiele, wie gut Gamifikation funktioniert:
Verkäufer auf dem Kriegspfad
Die niederländische Rabobank, die in über 48 Ländern fast 60.000 Mitarbeiter beschäftigt, hat eine eigene Abteilung, die sich damit befasst, spielerische Elemente im Finanzbereich einzusetzen. Maarten Molenaar, Gamifikation-Manager der Bank, fahndet nach den Erfolgsprinzipien guter Spiele: "Das Geheimnis erfolgreicher Gamifikation lautet: Kein Ziel ist erstrebenswerter als positive Emotionen."