Gemeinsame Wertebasis

Wie Führung in unsicheren Zeiten gelingt

Georg Kraus ist geschäftsführender Gesellschafter der Unternehmensberatung Dr. Kraus & Partner. Der diplomierte Wirtschaftsingenieur ist u.a. Autor des "Change Management Handbuch" und zahlreicher Projektmanagement-Bücher. Er ist Lehrbeauftragter an der Universität Karlsruhe, der IAE in Aix-en-provence, der St. Gallener Business-School und der technischen Universität Clausthal.

Agile Organisation - eine Antwort?

Was kann man tun? In Management-Kreisen wird neuerdings als mögliche Lösung das Thema "Agile Organisation" diskutiert - also das Implementieren einer Unternehmenskultur, die sich der Dynamik bewusst ist und mit einer hohen Anpassungsfähigkeit antwortet. In einem solchen System, so die Hoffnung, organisieren sich die Menschen anders als bisher. Sie ent­­scheiden direkter und schneller, tragen Verantwortung und tauschen sich aus. Doch wer sind die Träger einer solchen Kultur? Die Menschen in der Organisation und ihre Beziehungen zueinander. Also gilt es hier den Veränderungshebel anzusetzen.

In einer agilen Organisation, die weitgehend auf starre Organigramme, Bereichsgrenzen, Aufgabenbeschreibungen etc. verzichtet, sind die Referenzpunkte und Orientierungsanker anders als in einer klassischen Top-down-Organisation. Die Mitarbeiter können sich weniger auf Vereinbarungen und Beschlüsse in der Vergangenheit oder auf Vorgaben von außen beziehen. Sie müssen "wach" sein, einschätzen können, was gerade passiert - und sinnvoll darauf reagieren. Statt Beständigkeit ist geistige Flexibilität gefragt. Statt Dienst nach Vorschrift sind Neugier und Selbstbewusstsein gefordert. Statt Stabilität findet Entwicklung statt.

Stärker auf "agile Deals" zwischen Unternehmen, Führungskräften und Mitarbeitern einstellen

Eine solche Form des Miteinanders verändert nicht nur die Beziehung zwischen Führungskraft und Mitarbeiter, sondern auch die der Unternehmen untereinander. Wir sind im betrieblichen Kontext daran gewöhnt, dass einmal getroffene Vereinbarungen dauerhaft Gültigkeit haben - etwa zur Arbeitszeit, zur Entlohnung, zu Zuständigkeiten und Arbeitsinhalten oder Karriere­pfaden. Das erwarten viele Mitarbeiter auch weiterhin. Doch wie soll das funktionieren, wenn sich die Rahmenbedingungen ständig ändern? Müssen wir uns dann nicht stärker auf "agile Deals" zwischen den Unternehmen sowie deren Führungskräften und ihren Mitarbeitern einstellen - sowie zwischen den Unternehmensführungen und Mitarbeitervertretungen? Vermutlich!

Ein starkes Wertesystem hält Unternehmen zusammen

Dann aber stellt sich die Frage: Was hält ein soziales Gefüge wie ein Unternehmen zusammen, wenn sich das zentrale Bedürfnis seiner Mitglieder nach Sicherheit und Verlässlichkeit nur noch bedingt erfüllen lässt? Die Antwort lautet: ein starkes Wertesystem. Wenn Menschen durch Werte miteinander verbunden sind, gehen sie gemeinsam durch dick und dünn. Die jeweiligen Beziehungspartner bleiben berechenbar, was zu Vertrauen führt. Und das ist elementar.

Mitglieder von Organisationen, die auf wechselseitiges Vertrauen bauen, lernen schnell, Veränderungen nicht persönlich zu nehmen. Sie unterstellen zudem dem jeweils anderen gute Absichten. Auf dieser Basis wachsen auch Ehrlichkeit und Transparenz. Man unterstützt sich gegenseitig, Fehler werden verziehen. Und die Kurzlebigkeit sowie die permanente Notwendigkeit, sich zu verändern, werden bei aller Belastung auch als sportliche Herausforderung gesehen.

Ist in Unternehmen die Veränderungsdynamik so groß, dass schriftliche Vereinbarungen das Papier nicht wert sind, auf dem sie geschrieben stehen, dann gewinnen die individuellen und gemeinsamen Werte an Bedeutung: Sie schweißen zusammen. Aus dem gemein­samen Wertekanon erwächst der Zusammenhalt, den Planungen und Strategien nicht mehr schaffen können.

In die Unternehmenskultur eintauchen

Bleibt die Frage: Wie lässt sich in einem Unternehmen eine gemeinsame Wertebasis aufbauen? Was fördert einen entsprechenden Team-Spirit? Und wie kann das hierfür nötige Vertrauen aufgebaut werden? Die Antwort lautet: Indem ich als Unternehmen, als Führungsmannschaft (mit den Mitarbeitern) die Unternehmenskultur gezielt beeinflusse, entwickle und präge. Das ist keine einfache, aber eine unglaublich spannende und lohnende Aufgabe. Es ist eines der Kernthemen von FührungFührung in der VUKA-Welt. Alles zu Führung auf CIO.de

Wenn wir von Unternehmenskultur sprechen, meinen wir das kollektive Gedächtnis einer Organisation - die Erfahrungen der Menschen, aber auch die Narben, die durch schmerzhafte Maßnahmen herbeigeführt wurden. Diese Erlebnisse fließen in die Haltung und das Handeln jedes Einzelnen ein. Appelle hingegen verpuffen meist wirkungslos, ebenso wie bunte Poster mit Vertrauensslogans. Damit lassen sich keine Brücken bauen, die Menschen verbinden. Kulturarbeit erfordert tief gehende Interventionen, Impulse und Reize, damit sich etwas Neues bilden kann.

Wenn der Change also als alltägliche Herausforderung akzeptiert und gelebt werden soll, bedeutet das für Führungskräfte, sich der Werte und Prinzipien anzunehmen, die das gemeinsame Verhalten nicht nur beeinflussen, sondern prägen. Erst wenn nicht mehr die Symptome, sondern der eigentliche Kern im Fokus steht, kann kontinuierliche Veränderung gelingen, ohne dass sie den Beteiligten zur Last fällt.

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