Absage an Holokratie
Wie wär's mit - Führung?
- Die Diskussionen um Agilität und selbstbestimmtes Arbeiten haben dazu geführt, dass Führungskräfte verunsichert sind
- Der digitale Wandel ist ohne gute Führungsstrukturen zum Scheitern verurteilt
- Topmanager sorgen mit Gerede über Holokratie und sich selbst organisierende Teams für Verunsicherung im eigenen Unternehmen
Kundenorientiert, agil, innovativ - solche Entwicklungsziele verkünden Unternehmen immer wieder. Die Ziele dahinter sind meist wirtschaftlicher Art, manchmal geht es den Betrieben auch schlicht darum, die Existenz zu sichern. Das hoffen sie mit einer neu gestalteten Organisation zu erreichen.
Sie schulen ihre Mitarbeiter top-down in den Arbeitsweisen, die zum Erreichen der Ziele beitragen sollen, beispielsweise im Design Thinking. Nach einiger Zeit stellen sie dann fest: In unserer Organisation hat sich viel bewegt, doch unser Ziel - zum Beispiel, agiler zu werden - haben wir nicht erreicht. Damit wurde auch das übergeordnete Ziel verfehlt, den Erfolg des Unternehmens langfristig zu sichern.
Veränderungsgeschwindigkeit ist für viele Betriebe zu hoch
Für dieses Scheitern gibt es viele Gründe. So verändern sich die Rahmenbedingungen, die technischen Möglichkeiten der Problemlösung und auch die Kundenbedürfnisse so schnell, dass die Betriebe der Entwicklung immer hinterherhinken. Der Change- und Lernbedarf wird so groß, dass er top down kaum noch erfasst und befriedigt werden kann.
Viele Unternehmen haben das erkannt und reagiert. So verfolgten alle Managementsysteme, die in den letzten Jahrzehnten en vogue waren, egal ob sie KVP, TQM, Kaizen, Six Sigma oder Lean Management hießen, immer das Ziel, die Arbeit stärker an Kundenbedürfnissen auszurichten. Um hier voranzukommen, wurde immer auch propagiert, mehr Entscheidungsbefugnisse auf die Mitarbeiter- und Teamebenen zu verlagern. Eng damit verknüpft war die Forderung nach einer neuen Form der Leadership: Führungskräfte sollten sich als Befähiger und Ermächtiger ihrer Mitarbeiter verstehen.
Viele größere Betriebe ergriffen Initiativen, um einen solchen Kulturwandel herbeizuführen. Deshalb wirkt es absurd, wenn heute New-Work-Evangelisten so tun, als sei gar nichts passiert. Sie malen ein Zerrbild von FührungFührung an die Wand, das immer noch auf dem Befehl-Gehorsam-Prinzip basiert. In aller Regel entspricht das aber nicht mehr der betrieblichen Realität. Alles zu Führung auf CIO.de
- Klar definieren, wer jetzt was zu tun hat
Mit dem Change geraten Zuständigkeiten und Rollen ins Fließen. Von Tag Eins an muss jeder Mitarbeiter wissen, was er jetzt im Moment zu tun hat. Bis sich das ändert und eine neue Ansage kommt. - Die Aufgaben nur skizzieren
Wer seine Mitarbeiter mitgestalten lässt, erreicht mehr. Deshalb ist es ratsam, eine grobe Skizze des Veränderungsprojektes zu zeichnen und das Team Vorschläge zur Ausarbeitung machen zu lassen, als einen schon komplett ausgereiften Plan zu präsentieren. - Die Team-Perspektive einnehmen
Wie betrifft der Change die Team-Mitglieder, was bedeutet die Initiative aus ihrer Sicht – wer diese Perspektive einnimmt, hat die Mitarbeiter auf seiner Seite. - Erfahrungen teilen
Erfahrungen teilen: Soweit möglich, sollten Mitarbeiter an konkreten Aktivitäten wie etwa Besuchen beim Kunden teilnehmen. Je näher sie den Change miterleben, umso besser. - Fragen zulassen
Fragen, die aus dem Team kommen, dürfen nie als Widerstand gelten. Ganz im Gegenteil. Ein Chef, der Fragen zulässt und sie beantwortet, kann schneller Teilverantwortungen an die Mitarbeiter übertragen. - Die Wirtschaftlichkeit darstellen
Neben viel Kommunikation mit dem Team geht es auch darum, Metriken und Kennzahlen für das Veränderungsprojekt zu entwickeln und diese deutlich zu machen. - Wissen, wo der Fokus ist
Innerhalb eines Changes ist viel Kleinteiliges zu klären und zu organisieren. Der Fokus darf darüber nicht vergessen werden. Regelmäßige Treffen müssen sich immer wieder auf diesen Fokus beziehen, eindeutige Metriken müssen deutlich machen, wo das Team gerade steht. - Teilziele updaten
Nicht jeder Meilenstein wird so zu erreichen sein wie ursprünglich geplant. Es ist daher wichtig, gemeinsam mit dem Team Teilziele regelmäßig auf den aktuellen Stand zu bringen. - Sich abstimmen
Gemeinsame Kalender für das Veränderungsprojekt und gemeinsam entwickelte Guidelines, die die Prioritäten festlegen: Das sind gute Wege, um die Arbeit der einzelnen Team-Mitglieder immer wieder aufeinander abzustimmen. - Commitment organisieren
Wer übernimmt die Verantwortung wofür und wie regelt das Team, dass diese Verantwortlichkeiten auch konkret ausgeführt werden? Solche Fragen sind gemeinsam zu klären. Die einzelnen Mitarbeiter müssen wissen, welchen Teil sie übernehmen, und sie müssen konkret formulieren können, was sie dafür von ihrem Chef brauchen. - Den Change in seine Geschichte einbinden
Das Team muss wissen, an welche früheren Punkte im Unternehmen der jetzige Change anknüpft und welche zukünftige Richtung sich damit abzeichnet.
Holokratie - Teams entscheiden selbst
Dennoch sind sich Führungskräfte unsicher in der Frage, wie Arbeit und Zusammenarbeit künftig strukturiert sein sollen. Das zeigt sich zum Beispiel darin, dass immer noch der Begriff Holokratie durch die Managementdiskussion geistert. Er bezeichnet eine nicht-hierarchische Organisationsform, in der eine Vielzahl von selbständigen Einheiten, sogenannte Holons, sagen, was zu tun ist. Die Mitglieder dieser Holons haben keine Vorgesetzten, die Ansagen machen. Sie treffen im Rahmen der vereinbarten übergeordneten Ziele die Entscheidungen selbst.
Realisiert wurde diese Organisationsform bisher nur in Non-Profit-Organisationen und Startups. Von den zwölf Organisationen, die Frederic Laloux 2014 in seinem Buch "Reinventing Organizations" (PDF) als Beleg für die Realisierbarkeit des Konzepts nannte, kehrten inzwischen zehn wieder zum traditionellen Top-down-Management zurück.
Der Grund ist klar: In größeren Organisationen steht die Arbeit von Einheiten - egal, ob sie Bereiche, Teams oder Holons heißen - immer im Zusammenhang mit übergeordneten Zielen und einer Gesamtstrategie. Entscheidungen müssen darauf einzahlen, deshalb benötigen größere Organisationen stets eine gewisse Form der Hierarchie und Führung.