Aus dem Wipro Center for Business Resilience
8 Problemfelder in der digitalen Transformation
Problemfeld 6
Quick Wins stellen sich nicht ein oder werden nicht systematisch geplant.
Transparenz und Sichtbarkeit braucht man auch für etwas Grundlegendes im Transformationsprozess: die ersten Erfolge! Sie reduzieren Unsicherheit in Veränderungsprozessen für Mitarbeiter, aber auch für Kunden. Sie helfen, wichtiges weiteres Momentum aufzubauen, und nehmen Kritikern und Zweiflern den Wind aus den Segeln. Hier gilt es, das richtige Maß zwischen hoher Geschwindigkeit und den "richtigen" ersten Erfolgsmeldungen zu finden. Nehmen wir ein aktuelles Beispiel, mit dem Generationen von uns in der Jugend groß geworden sind. In einem umfangreichen Magazin- und Web-Relaunch stellte sich die Zeitschrift "Bravo" in den letzten Tagen neu auf. Dies war mehr als notwendig, denn wurden in den späten 1990ern noch knapp eine Million Hefte verkauft, lag die Auflage zuletzt bei weniger als 145 000. Gerade mit Blick auf die junge Leserschaft muss beim Sprung in die Smartphone-Welt der erste Schuss sitzen, denn einen zweiten gibt es oft nicht mehr. Ebenso wie attraktive Web-Seiten-Angebote oder Apps teils lawinenartig über Mund-zu-Mund-Propaganda neue Kunden und Nutzer gewinnen, gilt oft auch der umgekehrte Fall: Die App, die nicht funktioniert, oder der nicht geplante oder schlecht platzierte Quick Win wird schnell zum ersten Sargnagel.
Problemfeld 7
Das Weiterbeschreiten des Veränderungspfades stockt, weil der Mut fehlt, die alten Zöpfe komplett abzuschneiden. Und
Problemfeld 8
Die Veränderungen werden nicht in der Unternehmenskultur verankert.
Diese beiden Problemfelder hängen eng zusammen. Selbst wenn der digitale Wandel erfolgreich auf den Weg gebracht wurde und sich erste Erfolge zeigen, besteht die große Gefahr, Angst vor der eigenen Courage zu bekommen. Man bleibt auf halbem Wege stehen oder fällt sogar wieder in die alte Welt zurück. Um erneut ein Beispiel aus der aktuell so unter Druck stehenden Handelsbranche zu bemühen: Das Warenhaus Karstadt steht, wenn man Presseberichten glauben darf, erneut vor einem weiteren Kahlschlag mit der Schließung weiterer Häuser. Als Grund für die Misere wird neben Management-Fehlern die zerstörerische Wirkung des Internets für den HandelHandel bemüht. Dabei hätte Karstadt-Quelle alle Chancen gehabt, hier eine führende Rolle zu spielen. So berichtete die Computerwoche in einem Artikel vom 31.8.2001, dass der Konzern seinen E-Commerce-Umsatz im ersten Halbjahr um 125 Prozent auf 356 Millionen Euro steigern konnte. Als Ziel für das Gesamtjahr wurden mehr als 700 Millionen Euro avisiert. Wer glaubt, dass dies dazu geführt hat, den digitalen Hebel ganz auf Vollgas zu stellen und den stationären Handel systematisch zu reduzieren, irrt. Trotz dieser - selbst im heutigen Vergleich mit Zalando - attraktiven Umsatzgröße kam das damalige Karstadt-Quelle-Management zu folgendem Schluss: "Für das Warenhaus ist das Internet ein Marketing-Instrument und kein Umsatzbringer" und setzte entsprechend "wenig Hoffnung ins Web". Es gelang mithin nicht, den digitalen Handel tiefer in der Kultur und dem Selbstverständnis des Hauses zu verankern. Top-Firmen der Branche Handel
Bemerkenswert ist in der Aussage, dass das Warenhaus als Fixpunkt gesehen wird, um den sich alles dreht beziehungsweise drehen muss. Man mag es nur für eine semantische Feinheit halten, ob sich ein Unternehmen als Warenhauskonzern oder als Handelsunternehmen bezeichnet, das Signal für das Selbstverständnis aus unternehmenskultureller Sicht kann jedoch ein diametral unterschiedliches sein: Die einen definieren die Firma über die "Brick and Mortar", die anderen über den Kundennutzen des Bereitstellens von Gütern - ob nun analog oder digital.
Abschließend kann sicherlich kritisch angemerkt werden, dass natürlich jede Form von Veränderung, so auch der digitale Wandel, mit Unsicherheit behaftet ist und man sich fragen muss, ob man solche Risiken überhaupt eingehen muss - es könnte ja auch anders kommen. Hier lässt sich erneut auf ein Zitat von Carl von Clausewitz verweisen: "Sooft Kühnheit auf die Zaghaftigkeit trifft, hat sie notwendig die Wahrscheinlichkeit des Erfolges für sich, weil Zaghaftigkeit schon ein verlorenes Gleichgewicht ist."
Weitere Information und den Call for Papers erhalten Sie per Mail von peter.kreutter@whu.edu. |