Die Auswirkungen von Industrie 4.0
Der IT-Arbeitsmarkt 2025
- Prognose erfreulicher als bei vergangenen Automatisierungsschüben
- Wahrscheinlich gehen 600.000 Produktionsjobs verloren
- IT-Kenntnisse künftig auch bei Technikern vonnöten
- Appell an Politik: Ausbildungslücke schließen
Müssen sich IT-Leute von ihren Kollegen im Unternehmen als Jobkiller beäugen lassen? Der Gedanke liegt ja durchaus nahe, gerade in Deutschland mit seinem traditionell starken industriellen Sektor und angesichts des Aufbruchs in Richtung Industrie 4.0Industrie 4.0. Mit IT-Know-how werden beispielsweise die Roboter der jüngsten Generation ertüftelt, die selbstverständlich Rationalisierungszielen dienen. Auch Jobs innerhalb der IT stehen dabei auf der Kippe. Alles zu Industrie 4.0 auf CIO.de
Die Boston Consulting Group (BCG) analysiert die zu erwartende Entwicklung in einem Artikel von BCG Perspectives. Wie wird die Technologie die industrielle Belegschaft bis 2025 verändern, lautet die Leitfrage des Autorenquintetts Markus Lorenz, Michael Rüßmann, Rainer Strack, Knud Lasse Lueth und Moritz Bolle.
Stellen im Support fallen weg
Auf der allgemeinen Ebene ist das Problem bereits thematisiert worden. "Der neue Jobkiller in der IT-Branche?", fragte beispielsweise vor einigen Monaten die Computerwoche in einem Artikel über Robotic Process Automation (RPA). "Ich gehe davon aus, dass in den kommenden drei Jahren die meisten Jobs im Support der IT-Infrastruktur wegfallen werden", prognostiziert darin Frank Casale, Outsourcing-Experte und Gründer des Institute for Robotic Process Automation (IRPA). "Ich habe bereits Fälle gesehen, in denen 60 Prozent des Supports von RPA übernommen wurden." Dafür winkten neue Arbeitsplätze etwa in der Implementierung und Verwaltung von RPA-Tools.
- Dekra Arbeitsmarktreport 2015
Deutsche Personaler verpassen Digitalisierung und Industrie 4.0. So liest sich der Dekra Arbeitsmarktreport 2015. Ein IT-Trend: in diesem Jahr sind Wirtschaftsinformatiker besonders gefragt. - Die zehn meistgesuchten Berufe
Nicht Krankenschwestern und -Pfleger sind am stärksten gesucht, sondern Telefonverkäufer. Der Pflegenotstand kommt auf Rang zwei. - IT-Berufe
Wirtschaftsinformatikern schreibt die Dekra gute Prognosen zu. Wegen der zunehmenden Digitalisierung stiegen ihre Berufsaussichten vermutlich weiterhin, so die Akademie. - Entwicklung der IT-Berufe
Seit zwei Jahren stagniert der Bedarf an IT-Berufen auf hohem Niveau. - Peter Littig
Der Bildungspolitische Berater der Dekra-Geschäftsführung, Peter Littig, schreibt über die Bewerbersuche: „Unternehmen scheinen häufiger der Meinung zu sein, es bestehe kein Anlass, von der herkömmlichen Art der Mitarbeiterauswahl, -entwicklung und von gewohnten Teamkonstellationen abzuweichen.“ Das sei "beunruhigend". Bei den Personalern sind Industrie 4.0 und Digitalisierung noch nicht angekommen.
10 Use Cases, 23 Branchen
BCG nimmt das Thema nun umfassender und zugleich fokussierter unter die Lupe. Betrachtet wird - die deutschsprachigen Autorennamen legen es nahe - speziell die Lage im Industrieland Bundesrepublik, und zwar jene in 23 industriellen Branchen. Und es geht um die Auswirkungen von zehn konkret definierten Anwendungsfällen, die mit dem Begriff Industrie 4.0 verbunden sind: von Big DataBig Data getriebene Qualitätskontrolle; von Robotern assistierte Produktion; selbstfahrende Logistikfahrzeuge; Produktionsliniensimulation; Smart Supply-Netzwerke; vorausschauende Wartung; Machines as a Service; selbstorganisierte Produktion; additive Fertigung komplexer Teile; Augmented Work, Maintenance & Service. Alles zu Big Data auf CIO.de
Dass dieses Bündel an sich entwickelnden Use Cases Jobs kosten wird, ist evident. Wenn Gabelstapler von selber fahren können, sitzt eben nicht immer einer drin. Interessant ist jedoch, wie viele neue Jobs in dieser neuen Arbeitswelt entstehen. BCG geht davon aus, dass es mehr sein werden als verloren gehen.
Industrie 4.0 soll mehr neue Jobs schaffen
"Die Anpassung an Industrie 4.0 wird Herstellern die Schaffung neuer Jobs erlauben, um der aus dem Wachstum bestehender Märkte und der Einführung neuer Produkte und Dienstleistungen resultierenden größeren Nachfrage gerecht zu werden", heißt es in der Analyse. "Dieses erfreuliche Szenario kontrastiert mit vergangenen Epochen technologischen Fortschritts, in denen die Zahl an industriellen Arbeitsplätzen trotz einer Steigerung des Produktionsausstoßes gesunken ist." In den deutschen Belegschaften hätten beispielsweise Automatisierung und Offshoring alleine zwischen 1997 und 2013 18 Prozent der Jobs gekostet.
In naher Zukunft soll sich die Lage nun positiver entwickeln. BCG hat auch ausgerechnet wie. Da es aber um Zahlen der Zukunft geht, basieren solche Rechnungen per se auf Annahmen. Die Analysten haben neun Szenarien durchgespielt. Im schlimmsten Fall, nämlich bei sehr rasanter Umsetzung von Industrie 4.0 und flauem zusätzlichen Umsatzwachstum von 0,5 Prozent im jährlichen Durchschnitt, gehen netto doch Jobs verloren - exakt 180.000. Das ist eines von lediglich zwei negativen Szenarien; im Optimalfall könnten satte 950.000 neue Jobs entstehen.
Ein Nettoplus von 350.000 Arbeitsplätzen
Am wahrscheinlichsten erscheint den Autoren aber ein in der Mitte liegendes Szenario: Mithilfe von Industrie 4.0 generieren die Unternehmen künftig 1 Prozent an zusätzlichem Umsatzwachstum im Jahr, die Adaptionsrate der genannten zehn Anwendungsfälle liegt bei 50 Prozent. Trifft das so ein, gibt es laut BCG ein Nettoplus an rund 350.000 Arbeitsplätzen. Das wäre ein Zuwachs von 5 Prozent, denn momentan beschäftigten die untersuchten 23 Branchen insgesamt 7 Millionen Menschen.
Der wachsende Einsatz von Robotics und Computerisierung sorgt in diesem Szenario demnach für den Verlust von rund 610.000 Jobs in Produktion und Montage. Überkompensiert wird dieser Effekt durch 960.000 neue Jobs. 760.000 dieser hinzukommenden Stellen sind dem zu Grunde gelegten Umsatzwachstum zu verdanken, der Rest entfällt auf hochqualifizierte Aufgaben in IT, Forschung & Entwicklung und Analyse.
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