100 Tage zum Entscheiden

Keine Schonfrist

14.04.2008
Von Klaus Werle

Manchmal geht das ganz schnell: Als Chef von KarstadtQuelle bekam Christoph Achenbach die desaströse Lage im Handelskonzern nicht in den Griff und konnte weder die verunsicherte Belegschaft noch den skeptischen Aufseher Thomas Middelhoff für sich begeistern - nach zehn Monaten war Schluss. Auch Ex-Merck-Chef Michael Römer schaffte es nicht, das Vertrauen der Eigentümer zu erwerben, und verpatzte allzu siegessicher die feindliche Übernahme von Schering - Aus nach 18 Monaten.

CEO allein zu Haus

Der Spielraum für Fehler ist drastisch geschrumpft. Die Verweildauer deutscher CEOs sank zwischen 2003 und 2006 von 6,5 auf 4,7 Jahre. Aus dem Mythos der 100-Tage-Schonfrist, einst von US-Präsident Franklin Roosevelt für die Politik eingeführt, "ist eine unerbittliche Prüfung der Manager-Leistung geworden", bilanziert Stefan Reckhenrich von Egon Zehnder International.

Die Personalberatung hat in einer weltweit unter knapp 70 CEOs aus dem Finanzsektor durchgeführten Studie die Faktoren für einen erfolgreichen Start untersucht. Sie gelten aber im Grunde für alle Branchen. Dabei zeigte sich etwa, dass nur jeder fünfte CEO eine Einführung vom Vorgänger erhielt. Paradox: So sorgfältig der neue Chef ausgewählt wird, so sehr ist er ab Tag eins auf sich allein gestellt. Einsam in corporate terra incognita.

In den ersten Wochen ist die Fülle neuer Aufgaben schier unüberschaubar, die Erwartungen von Mitarbeitern, Märkten und Medien sind gigantisch. Kein Wunder, dass Siemens-Chef Peter Löscher den Beginn seiner Amtszeit geradezu generalstabsmäßig plante, den Vorstand grundlegend umbaute und dem Konzern eine Radikalkur in Redlichkeit verpasste - der Druck war extrem.

Ein neuer CEO trifft von der ersten Minute an weitreichende Entscheidungen - oft ohne die Firma in allen Facetten zu kennen. Das, was er am meisten bräuchte, ist am strengsten limitiert: Zeit. Es gibt weder Honeymoon noch Probezeit, die Märkte sind ungeduldig.

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