Ende der Datenschutz-Schonfrist
Safe-Harbor-Aus: Unternehmen proben Balance-Akt
Die eigentlichen Opfer seien europaweit rund 4000 Unternehmen - so die Überzeugung des IW. Denn diese müssten von der kommenden Woche an in einem rechtlichen "Limbo" operieren. Die europäischen Datenschutzbehörden müssten sich daher rasch auf eine gemeinsame Position verständigen. Dabei sollten zumindest übergangsweise die Standardvertragsklauseln und verbindliche Unternehmensregelungen als Alternative gelten.
- Viktor Mayer-Schönberger, Professor für Internet Governance and Regulation
"Es geht nicht mehr um das Ausspähen der Gegenwart, sondern um einen Einblick in die Zukunft. Das ist der Kern von Prism. Präsident Obama hat schon recht, wenn er sagt, die von Prism gesammelten Daten seien doch für sich genommen recht harmlos. Er verschweigt freilich, dass sich daraus statistische Vorhersagen gewinnen lassen, die viel tiefere, sensiblere Einblicke gewähren. Wenn uns nun der Staat verdächtigt, nicht für das was wir getan haben, sondern für das was wir – durch Big Data vorhersagt – in der Zukunft tun werden, dann drohen wir einen Grundwert zu verlieren, der weit über die informationelle Selbstbestimmung hinausgeht." - Prof. Dr. Gunter Dueck, Autor und ehemaliger CTO bei IBM
"Ich glaube, die NSA-Unsicherheitsproblematik ist so ungeheuer übergroß, dass wir uns dann lieber doch gar keine Gedanken darum machen wollen, so wie auch nicht um unser ewiges Leben. Das Problem ist übermächtig. Wir sind so klein. Wir haben Angst, uns damit zu befassen, weil genau das zu einer irrsinnig großen Angst führen müsste. Wir haben, um es mit meinem Wort zu sagen, Überangst." - Oliver Peters, Analyst, Experton Group AG
"Lange Zeit sah es so aus, als würden sich die CEOs der großen Diensteanbieter im Internet leise knurrend in ihr Schicksal fügen und den Kampf gegen die Maulkörbe der NSA nur vor Geheimgerichten ausfechten. [...] Insbesondere in Branchen, die große Mengen sensibler Daten von Kunden verwalten, wäre ein Bekanntwerden der Nutzung eines amerikanischen Dienstanbieters der Reputation abträglich. [...] Für die deutschen IT-Dienstleister ist dies eine Chance, mit dem Standort Deutschland sowie hohen Sicherheits- und Datenschutzstandards zu werben." - Dr. Wieland Alge, General Manager, Barracuda Networks
"Die Forderung nach einem deutschen Google oder der öffentlich finanzierten einheimischen Cloud hieße den Bock zum Gärtner zu machen. Denn die meisten Organisationen und Personen müssen sich vor der NSA kaum fürchten. Es sind die Behörden und datengierigen Institutionen in unserer allernächsten Umgebung, die mit unseren Daten mehr anfangen könnten. Die Wahrheit ist: es gibt nur eine Organisation, der wir ganz vertrauen können. Nur eine, deren Interesse es ist, Privatsphäre und Integrität unserer eigenen und der uns anvertrauten Daten zu schützen - nämlich die eigene Organisation. Es liegt an uns, geeignete Schritte zu ergreifen, um uns selber zu schützen. Das ist nicht kompliziert, aber es erfordert einen klaren Willen und Sorgfalt." - James Staten, Analyst, Forrester Research
"Wir denken, dass die US-Cloud-Provider durch die NSA-Enthüllungen bis 2016 rund 180 Milliarden Dollar weniger verdienen werden. [...] Es ist naiv und gefährlich, zu glauben, dass die NSA-Aktionen einzigartig sind. Fast jede entwickelte Nation auf dem Planeten betreibt einen ähnlichen Aufklärungsdienst [...] So gibt es beispielsweise in Deutschland die G 10-Kommission, die ohne richterliche Weisung Telekommunikationsdaten überwachen darf." - Benedikt Heintel, IT Security Consultant, Altran
"Der Skandal um die Spähprogramme hat die Akzeptanz der ausgelagerten Datenverarbeitung insbesondere in den USA aber auch in Deutschland gebremst und für mehr Skepsis gesorgt. Bislang gibt es noch keinen Hinweis darauf, dass bundesdeutsche Geheimdienste deutsche IT-Dienstleister ausspäht, jedoch kann ich nicht ausschließen, dass ausländische Geheimdienste deutsche Firmen anzapfen." - Viktor Mayer-Schönberger, Professor für Internet Governance and Regulation
"Die NSA profitiert von ihren Datenanalysen, für die sie nun am Pranger steht, deutlich weniger als andere US-Sicherheitsbehörden, über die zurzeit niemand redet. Das sind vor allem die Bundespolizei FBI und die Drogenfahnder von der DEA. [...] Es gibt in der NSA eine starke Fraktion, die erkennt, dass der Kurs der aggressiven Datenspionage mittelfristig die USA als informationstechnologische Macht schwächt. Insbesondere auch die NSA selbst." - Aladin Antic, CIO, KfH Kuratorium für Dialyse und Nierentransplationen e.V.
"Eine der Lehren muss sein, dass es Datensicherheit nicht mal nebenbei gibt. Ein mehrstufiges Konzept und die Einrichtung zuständiger Stellen bzw. einer entsprechenden Organisation sind unabdingbar. [...] Generell werden im Bereich der schützenswerten Daten in Zukunft vermehrt andere Gesichtspunkte als heute eine Rolle spielen. Insbesondere die Zugriffssicherheit und risikoadjustierte Speicherkonzepte werden über den Erfolg von Anbietern von IT- Dienstleistern entscheiden. Dies gilt auch für die eingesetzte Software z.B. für die Verschlüsselung. Hier besteht für nationale Anbieter eine echte Chance." - ein nicht genannter IT-Verantwortliche einer großen deutschen Online-Versicherung
"Bei uns muss keiner mehr seine Cloud-Konzepte aus der Schublade holen, um sie dem Vorstand vorzulegen. Er kann sie direkt im Papierkorb entsorgen."
Bitkom: Safe-Harbor-Alternativen erhalten
Vor allem Technologie-Unternehmen wie Microsoft, Apple oder Amazon - aber auch viele andere, international operierende Firmen sind auf einen Datenaustausch mit ihren Muttergesellschaften oder Niederlassungen in den USA angewiesen. Ob sogenannte Standardvertragsklauseln oder verbindliche Unternehmensregelungen (BCR), mit denen sich viele Unternehmen in der Zwischenzeit beholfen haben, tatsächlich über das Ende des Memorandums hinaus wirksame Alternativen sind, bezweifeln allerdings die Datenschutzbeauftragten.
Der Digitalverband Bitkom geht deshalb davon aus, dass die alternativen Regelungen vorerst keine Rechtssicherheit für Unternehmen gewährleisten. Denn die Auswirkungen des Safe-Harbor-Urteils auf die Regelwerke stünden derzeit noch auf dem Prüfstand der EU-Datenschutzbehörden. Aus Sicht des Bitkom seien beide Regelwerke jedoch eine "wirksame Grundlage, um den DatenschutzDatenschutz von Bürgern in den USA zu gewährleisten". Dabei sei sichergestellt, dass EU-Datenschutzbehörden Verträge prüfen und Verstöße ahnden könnten. Betroffene hätten zudem die Möglichkeit, in Europa vor Gericht zu ziehen. Alles zu Datenschutz auf CIO.de
Eine Übermittlung personenbezogener Daten in die USA müsse aber in jedem Fall möglich bleiben, fordert der Bitkom. "Europa darf keine Dateninsel werden", sagte Susanne Dehmel, beim Bitkom für Datenschutz und Sicherheit zuständig. "Deutsche Unternehmen sind international tätig und haben Töchter und Geschäftspartner in aller Welt." Betroffen sei nicht nur die Digitalbranche sondern die deutsche Wirtschaft insgesamt. (dpa/fm/rs)
- 1. Informationsschutz zur Wahrung der Vertraulichkeit
(insbesondere Zugriffsschutz, siehe § 9 BDSG) - 2. Gewährleistung der technischen und organisatorischen Verfügbarkeit
(insbesondere Notfall-planung und Wiederanlaufmöglichkeit durch Redundanz) - 3. Schutz der Datenintegrität
(Programmintegrität durch Change Management und Maßnahmen zur Erhaltung der Datenin-tegrität, z.B. Virenschutz) - 4. Stabilität und Sicherheit der IT-Prozesse
- 5. Gewährleistung der physischen Sicherheit
- 6. Datenaufbewahrung und –archivierung
- 7. Mitarbeitermanagement im Hinblick auf IT-Sicherheit (Awareness)
- 8. Wirksames IT-Management durch alle Phasen (Plan-Do-Check-Act)
- 9. Kontrolle der ausgelagerten Bereiche (Outsourcing)
- 10. Materieller Datenschutz