Aus wenig mach viel
Wie die IT der SOS Kinderdörfer funktioniert
Keine Infrastruktur
Die technischen Herausforderungen im Alltag seien gelegentlich ganz andere als im Durchschnittskonzern, sagt er. SOS-Kinderdorf arbeitet oft in unterentwickelten Gegenden, weil es dort die meisten bedürftigen Kinder gibt. "Es gibt dort oft einfach keinen Vor-Ort-Support. Daran können ProjekteProjekte scheitern." So gebe es in manchen der 133 Länder mit SOS Kinderdorf-Einrichtungen manchmal nur einen Mitarbeiter mit IT-Hintergrund. Alles zu Projekte auf CIO.de
Als CIO steht er vor der schwierigen Kombination: eine begrenzte Anzahl von Mitarbeitern, kaum Budget und wenig IT-Erfahrung vor Ort. "Hier hat uns das Internet geholfen", erzählt Rubatscher. Viele der Anwendungen laufen seit Jahren als Private Cloud Solutions, vollkommen zentral administriert. Das entlastet die lokalen Mitarbeiter von jeglicher technischen Wartung. "Es müssen nur der PC und der Internet-Anschluss funktionieren, den Rest erledigen wir im Dachverband."
Interkulturelle Herausforderungen
Neuerungen kann Rubatscher den Landesvereinen allerdings nicht diktieren. "Bei Neuerungen muss ich oft darüber nachdenken, wie ich das politisch verkaufe", sagt er. "Das ist das tägliche Geschäft: auf Leute einwirken, sie von Lösungen überzeugen, selbst wenn es mal eine billigere Lösung in einem Land gebe als das, was wir anbieten." Diplomatisches Geschick braucht der NGO-CIO also ebenso wie ein IT-Leiter eines Großkonzerns.
Mit den 110 Länderbüros in den Schwellenländern kann Rubatscher allerdings nicht direkt zusammenarbeiten, die Schnittstelle bilden regionale IT-Büros. "Wir setzen auf lokales Know-How", sagt er. Das verringere auch die interkulturelle Problematik: "Mit den Regionalleitern kommunizieren wir sehr gut. Sie vermitteln die Lösungen dann an die einzelnen Länder weiter und lassen uns im Gegenzug deren Bedürfnisse wissen", sagt er. Die anfänglichen interkulturellen Probleme hätten sie ausgeräumt. "Aber das kommt nicht von allein - wir haben dafür interkulturelle Trainings gemacht."
Den Kinder helfen
Neben all den Systemen für Verwaltung, Kommunikation, Mittelbeschaffung und Programmunterstützung sei die Arbeit für die Kinder am interessantesten, sagt Rubatscher. "Wir überlegen uns, wie wir mit der IT den Kindern direkt helfen können. Der neue Ansatz funktioniert zum Beispiel über E-Learning." In armen Ländern sind die Kinder oft benachteiligt, was die modernen Technologien angeht, erklärt der CIO. "Hier wollen wir ausgleichend helfen."
Daher gibt es IT-Unterricht an den Schulen der SOS Kinderdörfer: Wie funktioniert ein PC, wo kann man im Internet Preise vergleichen und wie funktioniert die Struktur? Dafür holt sich die NGO auch Partner aus der Wirtschaft. So gibt es zum Beispiel in Brasilien eine Kooperation mit Cisco Systems, in der Jugendliche zu Netzwerkadministratoren ausgebildet werden, erzählt der CIO. Ohne IT-Kenntnisse, egal wie basic sie sind, haben die Kinder einen schlechten Start ins Leben.
Obwohl es anders klingt: Den Unterschied zwischen den SOS Kinderdörfern und anderen hält Rubatscher für nicht sonderlich groß. Unternehmen hätten vielleicht größere IT Budgets, aber sie unterliegen dem gleichen Druck auf IT-Kosten. "Allerdings muss ihre IT vermutlich schneller auf den Markt reagieren als wir, NGOs hingegen kämpfen mit größeren Problemen bezüglich Infrastruktur und IT-Arbeitskräften in Entwicklunsgländern", vergleicht Rubatscher die Situation.
Die IT-Sicherheit ist wie in anderen Unternehmen ebenfalls ein wichtiger Aspekt. "Bei uns gibt es viele Informationen zu den Kindern, den Spendern und deren Kreditkartendaten. Deshalb müssen wir uns auch sehr stark auf die Sicherheit konzentrieren", sagt er. Regelmäßig lasse er das System von Externen auf Sicherheitslücken überprüfen. Und genau wie in der freien Wirtschaft greifen bei größeren Projekten die Kinderdörfer auf externes Know-How zurück. "Wir holen uns Berater ins Haus. Sie weisen uns auf Lösungsmöglichkeiten hin und wir realisieren es dann", sagt er.
Begeisterung für die IT
Klingt also nach normalem Business? Nicht ganz. Eines, das unterscheidet ihn jedoch von den Unternehmen: "Der moralische Druck ist höher. Bei uns zahlen letzten Endes die Kinder drauf, wenn wir zu viel Geld ausgeben oder größere Fehler passieren", sagt er. Seine Fehler können Kindern Mahlzeiten kosten und nicht nur den Ärger von Großinvestoren. "Deswegen achte ich so sehr darauf, dass die IT so schlank und so günstig wie möglich ist."
Trotz aller Widrigkeiten: Das schönste an seinem Job sei die Begeisterung für die IT - in den Dörfern. In Kaolack im Senegal habe er sich mit dem Dorfleiter unterhalten, erzählt der CIO. "Er hat mir seine Ideen vermittelt, was die IT alles für die Kinder tun kann", erzählt Rubatscher. In einer Aids-Klinik in Nairobi seien Ärzte auf ihn zugekommen und hätten ihn um bestimmte IT-Lösungen gebeten, die ihren Arbeitsalltag erleichtern würden. "Die Bereitschaft, technische Lösungen anzunehmen, weil sie ihr Leben verbessern, ist sehr groß", erzählt Rubatscher. Der Lerneffekt ist umgekehrt: Normalerweise gehen Berater in Einrichtungen und erklären, wie man es besser machen kann. Hier kämen Berater mit Vorschlägen von den Dorfbewohnern selbst zurück. "Das sind die Momente, die mir am besten gefallen", sagt er.
Und er erzählt von Carlos, dem Jungen aus dem Kinderdorf in Brasilien. Carlos machte eine Ausbildung im IT-Bereich, ist heute erfolgreicher IT-Trainer - und kam zurück ins Kinderdorf, um seinerseits den Jugendlichen Technikkenntnisse zu vermitteln. Eine berührende Geschichte, sagt Rubatscher: "Das schönste ist, wenn man merkt, dass die IT direkt beim Kind ankommt. Das motiviert am meisten."