Nachruf auf die die elektronische Post
Die E-Mail wird Opfer ihres Erfolgs
Joachim Hackmann ist Principal Consultant bei PAC – a teknowlogy Group company in München. Vorher war er viele Jahre lang als leitender Redakteur und Chefreporter bei der COMPUTERWOCHE tätig.
Kostenexplosion durch E-Mail
Wohl jeder kennt solche Auswüchse in der digitalen Kommunikation. Einige ärgern sich darüber, andere finden sie lustig. Für Unternehmen ist die falsche E-Mail-Nutzung aber alles andere als komisch, sie ist ineffizient und kostet Geld. Das zeigt sich zuerst in der IT: Das wachsende Mail-Volumen durch große und mehrfach verschickte Attachments beansprucht immer mehr Speicherplatz und Backup-Systeme.
Zudem gefährden die übermittelten und in vielen unterschiedlichen Postkörben abgelegten Dokumente die Compliance-Regelungen der Firmen. Das unstrukturierte Speichern relevanter Informationen untergräbt die Transparenz, erschwert die Archivierung und verursacht Gesetzesverstöße.
Ineffizienzen entstehen zudem, wenn Dokumente an Projektmitglieder oder Kollegen mit der Bitte um Ergänzungen, Korrekturen und Kommentare verschickt werden. Stehen auf dem Verteiler mehrere Personen, ist eine eindeutige Versionierung der Unterlagen unmöglich. Für neue Projektmitarbeiter, die sich etwa über den aktuellen Stand der Dokumention informieren wollen, ist das fatal.
"Viele Mitarbeiter haben generell ein Gefühl der Informationsüberflutung, wobei sie den eigenen Umgang mit E-Mails fälschlicherweise oft als ihr geringstes Problem einstufen", berichtet Stephan Schillerwein Director of Research beim Forschungs- und Beratungshaus Infocentric Research, aus seinen Projekterfahrungen. Die zum Teil mehrere Hundert ungelesenen und unbearbeiteten Mails im Postkorb - so die Meinung vieler Nutzer - habe man Griff. "Aber wenn dann der Kollege am Telefon das letzte Meeting diskutieren möchte, merkt man plötzlich, dass man das aktuelle, per MailMail verschickte Sitzungsprotokoll gar nicht kennt", beschreibt Schillerwein eine typische Situation. Alles zu Mail auf CIO.de
In der verdichteten Arbeitswelt fehlt vielen Mitarbeitern die Muße, sich sinnvolle Ordner für eingehende Nachrichten zu überlegen, um so der Informationsflut Herr zu werden. Zum Teil sind die Nutzer auch überfordert, die Mengen eingehender Nachrichten den selbst geschaffenen Strukturen zuzuordnen. Zum Glück für alle E-Mail-Chaoten haben die Forscher von IBMIBM jüngst herausgefunden, dass das Sortieren von E-Mails gar nicht effizienter ist als die Unordnung im Eingangskorb. Alles zu IBM auf CIO.de
Auch beim Versenden fällt es Mitarbeitern mitunter schwer, den richtigen Verteilerkreis und die relevanten Informationen auszuwählen. Im Zweifel wird also lieber ein Kollege beziehungsweise ein Dokument mehr als zu wenig auf den Verteiler gesetzt. So entsteht der Informationsüberfluss, der auf der Empfängerseite viel Zeit, Geld und Nerven kostet.
Sämtliche Probleme mit der E-Mail werden erst im Posteingangskorb der Nutzer offenbar. Dort sammeln sich die gelesenen und ungelesenen Nachrichten sowie Attachments. Dort häuft sich neben unnützen Datenmengen auch wertvolles Wissen sowie geschäftskritische Inhalte und Dokumente an. Für Unternehmen wächst das Problem, dass sie sämtliche Daten speichern und sichern müssen, die kostbaren Informationen aber oft nicht nutzen können, weil sie unstrukturiert in persönlichen digitalen Postkörben verschwinden.
- Archivieren oder lieber nicht
Darf ein Unternehmen jede E-Mail archivieren? Was passiert mit privater Korrespondenzen? Sollte jede E-Mail verschlüsselt werden? Hier finden Sie die gröbsten Fehleinschätzungen bei der E-Mail-Archivierung. - 1. Jede Mail muss archiviert werden
Alle Unternehmen – Kleingewerbetreibende ausgenommen – müssen ihre komplette Geschäftskorrespondenz für sechs bis zehn Jahre ab Ende des Kalenderjahres aufbewahren. - 2. Jede Mail darf archiviert werden
Einige E-Mails können, andere müssen gespeichert werden. Es gibt aber auch Mails, die auf keinen Fall mitgespeichert werden dürfen: private E-Mails von Mitarbeitern, soweit keine explizite Einwilligung der Mitarbeiter vorliegt. - 3. Das Verbot privater Mails in Unternehmen ist juristisch ohne Alternativen
Auch wenn es die bequemste und einfachste Methode ist: Ein striktes Verbot für private E-Mail ist nicht mehr zeitgemäß. Der gesamte Social-Media-Bereich weicht die Grenze von privater und geschäftlicher Nutzung IT auf und gerade die Einbindung des Unternehmens in Facebook, Twitter oder ähnliche Netzwerke erfordert eine private oder halbprivate E-Mail-Korrespondenz während der Arbeitszeit. - 4. Das E-Mail-Archiv muss verschlüsselt sein
Der Gesetzgeber verlangt keine Verschlüsselung. Einige Fälle von unbeabsichtigten Datenverlusten zeigen aber, dass es im Eigeninteresse der Unternehmen liegen sollte, Daten verschlüsselt zu speichern und zu übertragen. - 5. Bordmittel des E-Mail-Servers bieten alle nötigen Optionen
E-Mails werden häufig in proprietären Archivdateien gesichert, wie beispielsweise PST-Dateien in Exchange-Umgebungen. Diese enthalten nicht nur die gesicherten E-Mails, sondern auch Kalendereinträge, Kontakte sowie Aufgaben und werden häufig auf dem Endgerät des Anwenders abgespeichert. Dies reduziert zwar die Datenmenge auf den Mail-Servern, bietet aber keinerlei Compliance. - 6. Ein E-Mail-Archivsystem garantiert Rechtskonformität
Neue, automatisierte Appliances oder Cloud-Lösungen mit hohem Zusatznutzen steigern die Motivation in Unternehmen, ihre E-Mail-Archivierung rechtskonform aufzusetzen. Doch die Tools automatisieren nur den Archivierungsvorgang. - 7. E-Mail-Archivierung geschieht nur aus juristischen Gründen
Selbst wenn es keine gesetzliche Verpflichtung geben würde, ist eine Sicherung der E-Mails nach heutigen Standart sinnvoll: Eine umgehende Wiederherstellung verloren gegangener E-Mail-Infrastrukturen ist jederzeit möglich - entweder von einer lokalen Appliance oder von einem externen Rechenzentrum, wo die Daten gespiegelt sind.