Strategien


IT-Strategien

Aktion statt Reaktion

04.11.2002
Die Innovationszyklen in der IT haben sich enorm beschleunigt. Was gestern noch wie eine Lizenz zum Gelddrucken erschien, wird schon heute wieder aus den Plänen gestrichen. Negativer Effekt: Statt vorausschauender Planung sind häufig nur schnelle Reaktionen gefragt. CIOs verraten, wie sie mit dem Dilemma umgehen.

Was unterscheidet einen Plan von einer Strategie? Wir stellten die Frage denen, die es wissen müssen - zum Beispiel Sue Unger. "Der technologische Wandel ist unglaublich rasant und schwer einzuschätzen", sagt der CIO von Daimler-Chrysler. "Doch wir haben eine Vision und leiten daraus unsere IT-Strategie für die nächsten drei bis fünf Jahre ab. Operativ planen wir sehr konkret, jeweils rollierend für die nächsten zwei bis drei Jahre." "Aber", so muss die US-Amerikanerin einräumen, "nur das erste Jahr haben wir gut im Blick."

Sue Unger, CIO Daimler-Chrysler: "Wir haben eine Vision und leiten daraus unsere IT-Strategie für die nächsten drei bis fünf Jahre ab. Aber nur das erste Jahr haben wir gut im Blick."

"Wer behauptet, eine Strategie für drei Jahre zu haben, der spinnt." So drastisch formuliert es Philippe De Geyter, CIO der Deutschen Leasing. Für mehr Gelassenheit plädiert dagegen Thomas Engel: "So schnell wird das Rad nicht neu erfunden", sagt der CIO der schweizerischen Spedition Kühne & Nagel. "Aber viele IT-Manager wollen sich nicht langfristig festlegen und wurschteln sich lieber irgendwie durch."

Eine Regel für die Haltbarkeit einer Strategie lässt sich also offenbar nicht aufstellen. Unsicherheit besteht aber auch über Inhalte, ihre Umsetzung und über die Macht der IT. Dabei zeichnet sich ein Trend ab: Der klassische Top-Down-Ansatz, bei dem die IT der Business-Strategie zu folgen hat, ist am Ende.

Nach der Phase der Internet-Euphorie, in der ein Netz-Jahr als drei Echt-Jahre galt und bisweilen wie wahnsinnig investiert wurde, gibt es eine Bewegung hin zu mehr Besonnenheit: Unternehmen konzentrieren sich aufs Kerngeschäft, die IT muss die Geschäftsziele unterstützen. Damit zwischen der Business- und der IT-Strategie keine Lücke klafft, müssen CIOs dafür sorgen, dass sie mit ihren Plänen auf Linie bleiben.Gefordert ist IT-Alignment.

Das ist angesichts der sehr kurzen Planungszeiträume jedoch äußerst schwierig. "CIOs müssen extrem schnell Entscheidungen treffen", weiß Michael Earl, Professor für Informationsmanagement und E-Business-Koordinator an der London Business School. "In vielen Unternehmen wird die Strategie monatlich oder sogar wöchentlich aktualisiert." Die strategische Planung muss also rollieren, um mit dem wirtschaftlichen und technischen Wandel Schritt halten zu können. StrategienStrategien sind im ewigen Fluss. Alles zu Strategien auf CIO.de

Pläne aus dem Baukasten

Axel Jacobs, Beratungsdirektor bei der Meta Group, fordert deshalb: "Business- und IT-Strategie sollten dieselben Planungszeiträume haben und auch inhaltlich ineinander greifen." Allerdings werden nach einer Prognose des Marktforschungsunternehmens 80 Prozent der weltweit größten Unternehmen noch mindestens bis 2004 daran scheitern, beide Strategien zusammenzuführen.

Gerade in dezentral organisierten Großunternehmen, so Jacobs, fehle häufig ein Governance-Modell, das Spielregeln und Verantwortlichkeiten festlege und gewährleiste, dass die einzelnen IT-Investments auch im übergeordneten Rahmen sinnvoll seien. In kleinen und mittelständischen Firmen hingegen rieben sich viele IT-Leiter im Tagesgeschäft auf; aus dem Blickfeld gerate, wohin die Reise gehen solle. Eine Strategie bestehe oft nur aus einer Liste von Produkten, meint Dieter Wendel, IT-Consultant von Detecon International; eine kritische Einordnung in einen Gesamtzusammenhang finde nicht statt. Nur wenige Konzerne, moniert er, leisteten sich professionelle Vordenker, einen Think-Tank für die IT.

Alex Armbruster, CIO des Münchener Maschinenbauers Knorr-Bremse, Jürgen Maidl, BMW-Group-CIO, Sue Unger und Thomas Engel: Sie alle planen für mindestens drei Jahre, rollierend mit jährlicher Überprüfung und Fortschreibung der Strategie. Anders die Gesellschaft für Konsumforschung in Nürnberg. "Unsere IT-Strategie kennt keine Zeitbegrenzung", sagt GfK-CIO Rainer Ostermeyer. "Sie wird laufend weiterentwickelt und einmal jährlich grundsätzlich überprüft. Änderungen fließen je nach Dringlichkeit umgehend ein. Über das Intranet ist die Strategie für jeden nachvollziehbar." Das Management habe Zugriff auf den Volltext, so Ostermeyer; für alle Mitarbeiter gebe es eine ausführliche Zusammenfassung.

Bernd Voigt, Geschäftsführer Lufthansa Systems Infratec: "Zu einer guten Strategie gehört, dass man sie nicht bei jedem unvorhergesehenen Ereignis umwerfen muss."

Einen mutigen Ansatz vertritt auch De Geyter bei der Deutschen Leasing: Er plane nicht länger als 18 Monate im Voraus; alles andere finde er "altmodisch". Diese eineinhalb Jahre seien noch einmal in Sechsmonatsintervalle unterteilt. Die Bausteinstrategie im Sinne einer offenen Architektur verschaffe ihm Flexibilität, die er auch in seiner Systemlandschaft schätze. "Ich bevorzuge kleine Produkte, die ich anbauen kann", so der Belgier. Daher sei er auch kein Freund von SAP-Lösungen. "Da kaufe ich kein Produkt, sondern eine komplette IT-Methodologie." Lieber halte er es wie mit dem Lego-Kasten seines Sohnes: Da könne er auch einen Kran dazukaufen, ohne alles andere wegwerfen zu müssen.

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