Digitale Lehre

Corona - was bleibt nach der Krise?

Walter Brenner ist Professor für Informationsmanagement und geschäftsführender Direktor des Instituts für Wirtschaftsinformatik der Universität St. Gallen. Seine Forschungsschwerpunkte sind Informationsmanagement, Industrielle Services, CRM, Design Thinking und Digital Consumer Business.
Jeden Morgen treffe ich mich mit Kollegen der Universität St. Gallen zum "digitalen Znüni" (digitale Kaffeepause). Die Corona-Krise beschleunigt die Digitalisierung, und das nicht nur in der Lehre. Was bedeutet das für CIOs?

Dieser Beitrag entstand in der ersten Aprilwoche, also mitten in der Corona-Krise, in der selbstgewählten Isolation. Schon seit mehr als zwei Wochen haben meine Frau und ich unser komplettes Privat- und Berufsleben umgestellt: Wir haben keinen physischen Kontakt mehr zu unseren Kindern, zu unseren Eltern, zu unseren Freunden oder zu unseren Mitarbeitenden. Die Kommunikation läuft online. Alles ist anders, nichts ist mehr so wie es war.

Die Corona-Krise treibt die Digitalisierung auch im universitären Betrieb voran. Tools wie Zoom könnten sich zu "Killer-Apps" entwickeln.
Die Corona-Krise treibt die Digitalisierung auch im universitären Betrieb voran. Tools wie Zoom könnten sich zu "Killer-Apps" entwickeln.
Foto: Chinnapong - shutterstock.com

Die Dozierenden der Universität St. Gallen wurden durch eine Weisung des Rektors aufgefordert, die Mitarbeitenden soweit wie möglich ins Home-Office zu schicken und den Unterricht vollständig digital durchzuführen. Die Umstellung der Lehre auf digitalen Unterricht hat erstaunlich gut geklappt. Druck auf die Dozierenden durch das Rektorat und Angst der Studierenden, die Credits im Frühjahrssemester nicht zu erreichen, hat dazu geführt, dass innerhalb kürzester Zeit online unterrichtet wird.

Natürlich war nicht alles so, wie man sich dies in einer idealen digitalen Welt vorstellen würde. Trotzdem, nur eine Lehrveranstaltung im Masterprogramm Business InnovationInnovation musste abgesagt werden. Soweit bis heute bekannt, sind unsere Studierenden zufrieden und dankbar, dass wir die Lehrveranstaltungen überhaupt anbieten. Wenn man mir im Januar 2020 eine Wette angeboten hätte, dass es im April an der Universität St. Gallen nur noch digitale Lehrveranstaltungen geben wird, ich wäre die Wette nie eingegangen. Alles zu Innovation auf CIO.de

Unter Druck sind viele Menschen bereit, ihr Verhalten radikal zu verändern und jede Möglichkeit zu ergreifen, die hilft, eine Krise zu bewältigen. Genau dies ist bei uns passiert. Niemand hat nach der Ankündigung unseres Rektors gefragt, ob digitaler Unterricht sinnvoll sei, ob es die Studierenden wirklich wollen, ob es bewährte didaktische Konzepte gibt, ob es datenschutzrechtliche Bedenken gibt oder ob man persönlich vorbereitet sei. Wir haben es einfach gemacht.

Wie vom Rektor angeordnet, habe ich auch meine Mitarbeitenden ins Home-Office geschickt. Die Assistierenden hatten das von sich aus schon gemacht, noch bevor Human Resources "grünes Licht" gab; sie haben einfach weitergearbeitet. Spannend ist, dass schon nach wenigen Tagen ein Bedürfnis nach digitaler Nähe formuliert wurde. Wir treffen uns jetzt jeden Morgen zum "Digitalen Znüni" (digitale Kaffeepause). An manchen Tagen plaudern wir über Gott und die Welt, an anderen Tagen hält ein Assistierender einen Vortrag.

An einem Morgen haben wir uns auch einen Vortrag über einen Prototypen für Robot Process Automation angehört und diskutiert. Der digitale Znüni erfreut sich bis jetzt grösster Beliebtheit. Es wäre uns vor der Krise nie gelungen, dass wir uns jeden Morgen alle treffen. Die Teammitglieder waren auf Reisen, hatten sehr wichtige Dokumente fertigzustellen oder an anderen Sitzungen teilzunehmen. Auch Fakultätstreffen mit mehr als 40 Professorinnen und Professoren haben wir schon digital abgehalten und sogar einige schwierige Personalgeschäfte diskutiert und verabschiedet.

Als zentrales Tool verwenden wir Zoom, für mich die Killer-App des Jahres 2020. Bildungsinstitutionen haben zu Beginn der Krise von Zoom ein Education-Abo angeboten bekommen. Mehrfach war ich mehr als sieben Stunden an einem Tag ununterbrochen in Zoom-Meetings. Daneben setzen wir in meinen Forschungsteam Skype for Business ein. Microsoft Teams kommt derzeit praktisch nicht zum Zuge. Schwächen in der Infrastruktur werden jetzt gnadenlos sichtbar. Kolleginnen und Kollegen, die keine gute Internetverbindung haben, schlechte Kameras oder unzureichende Mikrofone, kommen schnell unter Druck. Zudem sind die Kolleginnen und Kollegen im Vorteil, die schon selber digital unterrichtet oder Mitarbeitende haben, die ihnen helfen können.

Zur Startseite