ITIL, CoBIT, Togaf & Co.
Die Grenzen von ITIL
Mangelndes Verständnis
Das Ziel, über Standards das gemeinsame Verständnis von Sachverhalten zu schaffen, ist de facto nur begrenzt erreichbar. Bereits in der Verständigung zwischen IT-Verantwortlichen untereinander ist trotz Einführung eines Standards ein Manko festzustellen. Noch weniger haben es Regelwerke bisher geschafft, das Zusammenspiel von IT-Abteilungen und Fachbereichen hinsichtlich der Kommunikation klarer zu gestalten. Das ist auch nicht verwunderlich, wenn man bedenkt, dass die fachlichen Schulungen für IT-nahe Frameworks fast ausschließlich auf die IT-Mitarbeiter fokussiert sind.
Aber ganz davon abgesehen dürfen Regelwerke inhaltlich nicht als Inbegriff der Wahrheit verstanden werden. Schließlich beruhen sie nicht unbedingt auf einer durchgängig präzisen oder allgemein anerkannten Terminologie. Deshalb war ja das im vergangenen Jahr veröffentlich Refresh von ITIL V3 mit einer deutlichen Schärfung von Begrifflichkeiten und Definitionen notwendig. An dem Regelwerk haben weltweit zahlreiche Autoren mitgewirkt. Solche Bedingungen bergen selbst bei großem Bemühen um fachliche Genauigkeit das Risiko inhaltlicher und terminologischer Widersprüchlichkeiten. Auch deshalb ist vor einem zu großen Vertrauen in die die IT-Regelwerke zu warnen.
- ITIL - die häufigsten Irrtümer
Am 29. Juli 2011 wurde das aktuelle Refresh von Itil V3 veröffentlicht. Höchste Zeit, die häufigsten Itil-Missverständnisse aufzuklären. - Itil V4 steht unmittelbar vor der Tür.
Das ist falsch - richtig ist<br><br>In Kürze wird ein Refresh ("Itil Edition 2011) veröffentlicht. - Strategische Prozesse sind in der IT sind unrealistisch.
Das ist falsch - richtig ist:<br><br>Die Itil-Prozesse helfen dem CIO, sich als Partner des Business zu etablieren. - Der Umstieg von V2 auf V3 ist radikal.
Das ist falsch - richtig ist:<br><br>Die grundlegenden Konzepte bleiben erhalten. - Itil V3 erhöht nur die Komplexität der Prozesse.
Das ist falsch - richtig ist:<br><br>Die Komplexität hat nichts mit der Itil-Version zu tun. - Es ist einfacher, erst einmal mit ITIL V2 zu beginnen.
Das ist falsch - richtig ist: ITIL V3 bietet so viele Verbesserungen, dass es töricht wäre, sie zu ignorieren. - Die Investitionen in Itil V2 sind definitiv verloren.
Das ist falsch - richtig ist:<br><br>Investitionen in Prozesse und Standards lassen sich unmittelbar in V3 überführen. - Viele der V3-Prozesse sind in der Praxis überflüssig.
Das ist falsch - richtig ist:<br><br>Nicht jeder Prozess muss nach V3 eingeführt werden, aber die Funktion muss abgedeckt sein. - Die V3-Prozesse sind unübersichtlich und schwer steuerbar.
Das ist falsch - richtig ist:<br><br>Jede Reise beginnt mit dem ersten Schritt, daran ändert auch Itil V3 nichts. - Die Standards stehen der Flexibilität im Weg.
Das ist falsch - richtig ist:<br><br>Definierte Kompetenzen und Prozesse erleichtern die Reaktion auf Änderungen. - Der Nutzen kann die Investition nicht aufwiegen.
Das ist falsch - richtig ist:<br><br>Itil V3 hilft, die Effizienz und Qualität des IT-Service-Managements erheblich zu steigern. - ITIL V3 erfordert einen zu hohen Schulungsaufwand.
Das ist falsch - richtig ist: Die Bedeutung des ITSM ist gestiegen - und damit auch das Anforderungsprofil der Experten.
Mit ITIL hielt der Begriff "Service" Einzug in die IT-Bereiche der Unternehmen. Doch ITIL hat es bislang nicht geschafft, diesen Begriff verständlich und praxistauglich zu definieren sowie von anderen Definitionen/Begriffen abzugrenzen. Dort lautet die Beschreibung: "a means of delivering value to customers by facilitating outcomes customers want to achieve without the ownership of specific costs and risks". Was aber ist ein solches Mittel ("means")? Was sind die spezifischen Kosten? Eine allgemeingültige Definition des Servicebegriffs lässt sich auf diese Weise nicht erreichen.
Ein unabweisbares Problem einer starken Regelwerksorientierung besteht zudem darin, dass die Frameworks ständig umfangreicher werden - sowohl hinsichtlich des Scope als auch der Detaillierung. ITIL, CoBIT und Togaf sind Paradebeispiele dafür. Dadurch geraten die Frameworks zu sehr in den Mittelpunkt und werden zum Selbstzweck. Zudem steigt durch die immer komplexeren Methoden auch der Bedarf an regelwerksspezifischer Fortbildung/Zertifizierung und an Projektressourcen, ohne dass diesem Mehraufwand ein nennenswerter Nutzengewinn gegenüberstünde. Außerdem verlängert sich die Projektdauer, was im Regelfall mit Kostensteigerungen einhergeht.
Standards reduzieren Kreativität
IT-Prozesse entstehen selten auf der grünen Wiese. Daher sind in der Unternehmenspraxis immer mehrere Einflussgrößen für die Organisationsgestaltung zu berücksichtigen - beispielsweise Größe, Kultur, Geografie, Produktspektrum, Mitarbeiterfähigkeiten, Wertschöpfungstiefe in der IT, vorhandene IT-Unterstützung etc. All diese Anforderungen kann ein generisches Referenzmodell nicht leisten.
Schneller und kostengünstiger umgesetzt sind unternehmensspezifische IT-Prozessdesigns, die durchaus an gängige Standards angelehnt sein können, aber die Prozessschritte aus der Praxis heraus begründen sollten. Hilfreich ist hierbei, die Anforderungen der ISO 20000 (aus ITIL abgeleitet) als Prozesscheckliste zu verwenden, also zu überprüfen, ob die dort festgeschriebenen Anforderungen/Merkmale von den eigenen und unternehmensspezifischen Prozessdesigns abgedeckt werden. Um jedem Missverständnis vorzubeugen: Ein Standard ist schon wichtig, es sollte aber ein Unternehmensstandard sein - so individuell wie der Betrieb selbst. (Computerwoche)