Lichtblicke in Sicht?
Die Konjunktur überschattet den Arbeitsmarkt
Eine schwache Konjunktur, die die Frühjahrsbelebung ausbremst und Arbeitslose, die trotz Fachkräftemangels keinen neuen Job finden: Die Aussichten auf dem deutschen Arbeitsmarkt bleiben auch im Mai eingetrübt. So sank die Zahl der Arbeitslosen in dem Monat zwar im Vergleich zum April um 27.000 auf 2,723 Millionen. Normalerweise liege der Rückgang aber um die 60.000 bis 80.000 Arbeitslosen in diesem Monat, sagte die Chefin der Bundesagentur für Arbeit, Andrea Nahles, am Dienstag in Nürnberg. Doch Fachleuten zufolge gibt es auch positive Anzeichen.
"Die Frühjahrsbelebung ist in diesem Jahr nicht richtig in Fahrt gekommen", sagte Nahles. Saisonbereinigt erhöhten sich im Mai sowohl die Arbeitslosigkeit als auch die Unterbeschäftigung, die Menschen in Maßnahmen wie Weiterbildung oder Integrationskursen erfasst. Im Vergleich zum Mai 2023 erhöhte sich die Zahl der Arbeitslosen sogar um 179.000. Für die Statistik griff die Bundesagentur (BA) auf Datenmaterial zurück, das bis zum 15. des Monats vorlag. Die Arbeitslosenquote sank demnach verglichen mit April um 0,2 Prozentpunkte auf 5,8 Prozent.
"Kleiner Lichtblick": Weniger Anzeigen auf Kurzarbeit
Die schwache Konjunktur im vergangenen Jahr habe Spuren auf dem Arbeitsmarkt hinterlassen, sagte Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD). "Wir sind uns im Klaren, dass die Zeiten dynamisch sind und wir die verhaltene wirtschaftliche Belebung nutzen müssen, um Investitionen zu fördern und den Konsum weiter anzukurbeln."
Als einen "kleinen Lichtblick" bezeichnete Nahles die Entwicklung bei den Anzeigen auf Kurzarbeit im Mai. Vom 1. bis 28. Mai beantragten Arbeitgeber diese für 46.000 Beschäftigte - ein Viertel weniger als im Vergleich zum Vormonatszeitraum. Wie viele Betriebe tatsächlich Kurzarbeit in Anspruch nehmen, lässt sich zu dem Zeitpunkt nicht absehen. Vorläufige hochgerechnete Daten liegen der BA bis März vor: In dem Monat erhielten 219.000 Beschäftige konjunkturelles Kurzarbeitergeld, nach 200.000 im Februar und 189.000 im Januar.
"Der Arbeitsmarkt hält der konjunkturellen Flaute immer noch gut stand. Dazu trägt bei, dass Unternehmen sich damit zurückhalten, knappe Fachkräfte zu entlassen", teilte KfW-Chefvolkswirtin Fritzi Köhler-Geib mit. Frühindikatoren ließen im Verlauf des Jahres zudem eine leichte konjunkturelle Erholung erwarten.
Fachkräfte fehlen in fast jedem siebten Beruf
Ein Sorgenkind bleibt jedoch der FachkräftemangelFachkräftemangel. Laut einer Analyse der Bundesagentur gibt es in fast jedem siebten Beruf in Deutschland Engpässe. Demnach gab es im vergangenen Jahr in 183 der 1.200 bewerteten Berufe Probleme, offene Stellen zu besetzen. Im Jahr zuvor waren es noch 17 Berufe mehr. Alles zu Fachkräftemangel auf CIO.de
Dieser leichte Rückgang sei eine Momentaufnahme und kein langfristiger Trend, betonte Nahles. Das Niveau sei nach wie vor hoch. "Aufgrund der demografischen Entwicklung werden auch in den kommenden Jahren viele gute qualifizierte und erfahrene Fachkräfte den Arbeitsmarkt verlassen." Engpässe bestanden demzufolge unter anderem in den Pflege- und Gesundheitsberufen, im Handwerk, der Kinderbetreuung oder im IT-Bereich.
Dennoch haben Arbeitslose Nahles zufolge derzeit große Schwierigkeiten, einen neuen Job zu finden. Oft fehle diesen das gesuchte Qualifikationsniveau, erläuterte sie. Das könne dazu führen, dass manche Unternehmen nicht mehr wüchsen, weil sie Stellen nicht besetzen könnten. Im Mai waren 702.000 offene Stellen bei der Bundesagentur gemeldet. Das sind zwar 65.000 weniger als vor einem Jahr. Im langjährigen Vergleich ist der Bestand der BA zufolge aber weiterhin hoch.
Nach Einschätzung des Online-Stellenportals Indeed ist in den kommenden Monaten keine Personaloffensive bei den Unternehmen in Sicht. Das betrifft ihr zufolge vor allem die klassischen Bürojobs. "Ein Handwerker findet aktuell leichter einen Job als ein Software-Entwickler", sagte die Arbeitsmarktexpertin Annina Hering von Indeed. Das liege daran, dass bestimmte Fach- und Hilfskräfte essenziell seien. Die Unternehmen zögerten aber während der momentanen Schwächephase teure Bürokräfte anzustellen. (dpa/rs)