IT-Landschaft
Die Stuttgarter Börse und die Cloud
Zu den vertrauensbildenden Maßnahmen gehört möglicherweise auch eine Neuorientierung der internen Compliance-Abteilung: "Die muss sich mit ganz neuen Themen beschäftigen", sagt Lammersdorf. Beispielsweise sollte sie nach Möglichkeiten suchen, wie sich die angestrebten Garantien der Anbieter in der Praxis auch nachhalten lassen. Ob die Daten tatsächlich innerhalb der EU verbleiben, dürfte in der Praxis schwer überprüfbar sein.
Ein anderes Thema stellen für Lammersdorf die Übergabemodalitäten nach der Beendigung des Dienstleistungsverhältnisses dar: "Wenn man so sieht, was die Polizei aus gelöschten Festplatten noch alles herausliest, dann glaubt man nicht mehr so recht an das Versprechen der Anbieter, alle Kundeninformationen zu vernichten."
Durchlässige Grenzen zu den Fachbereichen
Auch die Mitarbeiter in der IT müssen teilweise neu qualifiziert werden. Schließlich würden sie sich in einer Cloud-Umgebung künftig weniger um das Doing als um die Koordination und Kommunikation mit den Fachbereichen kümmern müssen. Die Grenzen zwischen Fachbereich und IT sollen also durchlässiger werden. Laut Lammersdorf arbeiten allerdings heute schon zwei ehemalige Händler als Projektleiter in der IT. Und umgekehrt sollen die ITler auch das Geschäft der Fachbereiche kennenlernen.
Auf keinen Fall will Lammersdorf also einen Schnellschuss wagen. Falls er am Ende dann die Infrastruktur auslagern sollte, so könne man sicher sein, dass dieser Schritt gut überlegt und kontrolliert erfolge, versichert er. Und dass er nicht von der IT, sondern vom Vorstand und den Fachbereichen gewollt sei: "Denn die Unternehmensstrategie macht bei uns die Fachseite, nicht die IT."
Was die Börse Stuttgart über das Thema Cloud gelernt hat
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Technisch ist es für die Börse kein Problem, die Private Cloud an einen Dienstleister zu geben. Schließlich hat sie ihre IT-Umgebung weitgehend virtualisiert.
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Aber diese Entscheidung darf nicht auf der technischen Ebene getroffen werden, sagt der Geschäftsführungs-Vorsitzende und neue CIO Christoph Lammersdorf (Foto).
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Die erste Frage muss aus Lammersdorfs Sicht lauten: Wo ist das Business-Problem, das damit gelöst wird?
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Dann sei die Machbarkeit zu überprüfen - auf allen Ebenen. Dazu gehörten Fragen der Sicherheit und Verfügbarkeit sowie der internen Kontrollmöglichkeiten.
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Und hier hat auch die Börsenaufsicht ein gewichtiges Wort mitzureden, die beispielsweise vorgibt, dass keine Daten außerhalb der EU gespeichert werden dürfen.
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Last, but not least müssen auch die Aufsichtsgremien das Vorhaben absegnen. Das wäre alles einfacher, wenn der Cloud-Begriff derzeit nicht so negativ besetzt wäre.
Wo ist Sönke Björn Vetsch?
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Die ersten Recherchen zu diesem Artikel datieren vom Spätsommer 2013.
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Der damalige CIO der Stuttgarter Börse, Sönke Björn Vetsch, bat damals, mit der Veröffentlichung zu warten, bis einige finale Fragen beantwortet seien.
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Doch die Antworten ließen auf sich warten - bis kürzlich bekannt wurde, dass Vetsch das Unternehmen verlassen hatte.
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Sein Nachfolger im Amt des CIO, Christoph Lammersdorf, stellt hier eine inzwischen überarbeitete Strategie vor.
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Über den Verbleib von Vetsch gibt es noch keine offiziellen Informationen.