IT-Organisation 2024
Kenne deine Kunden besser als dich selbst
Es mag weit hergeholt sein, sich eine Zukunft vorzustellen, in der IT-Fachleute zu wissenschaftlichen Experten dafür werden, Kunden zu verstehen. Die moderne IT sollte sich jedoch auf den Weg zu einer strengen und systematischen Kundenanalyse begeben, um Ursache-Wirkungs-Theorien des Kundenverhaltens aufzustellen und zu überprüfen.
Heute behauptet beinahe jedes Unternehmen, kundenorientiert zu sein - einige gehen sogar so weit, dass sie sich als "kundenbesessen" bezeichnen. Oft ist "Kundenorientierung" jedoch lediglich ein Schlagwort und ein Anspruch, aber kein wirkliches Differenzierungsmerkmal. Denken Sie mal kurz darüber nach: Wie viele Interaktionen mit Produkten und Dienstleistungen in Ihrem Alltag erfüllen Ihre Erwartungen? Und wie viele können sie sogar übertreffen?
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Dabei stagniert die Kundenzufriedenheit beispielsweise in den USA seit dem Jahr 2010. Laut dem American Customer Satisfaction Index haben fast 80 Prozent der Unternehmen seither ihre Kundenzufriedenheitswerte nicht verbessert. Die Firmen achten zwar auf das Kundenerlebnis, aber sie machen keine echten Fortschritte.
Ein Fall für die Kundenwissenschaft
Das Center for Services Leadership (CSL) an der W.P. Carey School of Business der Arizona State University führt regelmäßig eine "National Customer Rage Survey" durch. Darin untersuchen die Forsche die Kundenzufriedenheit, der Umgang mit Beschwerden und die Vorfälle mit unfreundlichen - also wütenden - Kunden. Letzteres greift den englischen Begriff "Rage" auf.
Ein Leistungsindikator in der Welt der Kundenerfahrung und -zufriedenheit sind "Wut-Klicks". Das bezeichnet etwa, wenn ein User eine Schaltfläche fünf oder sechs Mal anklickt, weil eine Website langsam lädt oder eingefroren scheint. Sollte es eine IT-Kennzahl werden, "Customer Rage" und Wut-Klicks zu reduzieren oder zu beseitigen?
Wissenschaft wird oft so definiert, dass sie Phänomene streng und systematisch identifiziert und misst. Sowohl im gewinnorientierten als auch im gemeinnützigen Sektor ist das wichtigste Phänomen das Verhalten und die Einstellung des Kunden. Die Kundenwissenschaft nimmt genau das unter die Lupe.
Ist Ihre Organisation gut in der Kundenforschung? Misst Ihr Unternehmen die Kundenerfahrung? Beschäftigt es "Wissenschaftler", die das Kundenverhalten auf der Grundlage der von Ihnen gesammelten Daten beobachten und erklären?
Kunden hören auf andere Kunden
In einer Welt, in der jeder Kunde über digitale Sendeplattformen verfügt, kann es erhebliche Auswirkungen haben, wenn Erwartungen nicht erfüllt oder übertroffen werden. Am 21. Februar 2018 verlor etwa Snapchat an einem einzigen Tag 1,7 Milliarden US-Dollar an Marktwert, nachdem Kylie Jenner per Tweet ihre Unzufriedenheit mit dem neuen Layout der App zum Ausdruck gebracht hatte. Sie sagte einfach: "Sooo, öffnet sonst noch jemand Snapchat nicht mehr? Oder bin das nur ich ... ugh, das ist so traurig."
Im Jahr 2016 verloren US-Unternehmen 1,6 Billionen Dollar durch die Kundenabwanderung als Folge von schlechtem Service - sowie der Kommunikation in sozialen Medien.
Das Paradoxon in der Praxis
Der Weg zur Kundenwissenschaft ist voller Paradoxien, etwa in der Organisation: Auch wenn der Kunde König ist, trägt niemand im Unternehmen die Verantwortung dafür, dass jede Interaktion die Kundenerwartungen erfüllt oder übertrifft. Soll dies die Rolle des inzwischen ziemlich in Mode gekommenen Chief Customer Officers sein? Oder des Chief Experience Officers?
Glenn Laverty, ehemaliger Präsident und CEO von Ricoh Canada und jetzt im Ruhestand, hat dieses Paradoxon von Verantwortung und Autorität gelöst. Er hat die Vergütung jedes Mitarbeiters an Metriken zu Kundenerfahrung und -zufriedenheit gebunden.
Was gemessen und was belohnt wird, beeinflusst das eigene Verhalten. Die Kundenforschung kann eine abgestimmte und nuancierte Verknüpfung der Vergütung aller Mitarbeitenden mit Kennzahlen der Customer Experience ermöglichen.
Das Datenparadoxon
Claes Fornell, Gründer des American Customer Satisfaction Index und emeritierter Professor für Wirtschaft an der University of Michigan, beschreibt das Datenparadoxon der Kundenwissenschaft folgendermaßen: Zwar sammeln Unternehmen mehr Informationen über ihre Kunden als je zuvor. Doch paradoxerweise scheinen sie gleichzeitig immer weniger darüber zu wissen, wie sie ihre Kunden zufriedenstellen können.
Schon der Begriff "Kundenwissenschaft" wirkt fast wie ein Oxymoron. Gleich mehrere Nobelpreisträger, etwa Herb Simon (1978) und Daniel Kahneman (2002), haben mit einer irrigen Annahme aufgeräumt, auf der der Großteil der Mainstream-Ökonomie beruht: dass Kunden immer rational entscheiden.
Markenexperten, CX-Fachleute und Kundenzufriedenheitsforscher sind sich einig, dass echte Kundentreue davon abhängt, ob und wie das Unternehmen beziehungsweise die Marke eine emotionale Verbindung zu den Käufern herstellt. Obwohl Wissenschaft und menschliche Emotionen sicherlich keine Synonyme sind, glaube ich, dass die Wissenschaft auf die Emotionen einwirken und somit helfen kann, die Kunden zu verstehen.
Kunden schaffen, Kunden verstehen
Gemäß der Wirtschaftsgeschichte, wie sie von den Business-Universitäten geschrieben wird, sind Unternehmen um 1967 herum zu der Erkenntnis gelangt, dass Kunden, Kundenerfahrung und Kundenzufriedenheit im Mittelpunkt der Bemühungen von Managern stehen sollten.
StrategieStrategie wurde zu einem Prozess, um Zielkunden zu identifizieren und ein Wertversprechen zu entwickeln, das alle taktischen Aktivitäten anführt. Das schließt Produktdesign, Preisgestaltung, Werbung und Vertrieb mit ein. Oder wie es Management-Guru Peter Drucker formulierte: "Der Zweck eines Unternehmens ist, einen Kunden zu schaffen." Alles zu Strategien auf CIO.de
CIOs müssen dafür sorgen, dass Systeme vorhanden sind, mit denen das Unternehmen seine selbst geschaffenen Kunden verstehen kann.