Umbau, Rücktritt, Nokia
Microsoft im Urteil von Analysten und CIOs
Das Donnergrollen aus Redmond war zwischenzeitlich sehr laut, und gleich dreimal hat der Blitz eingeschlagen. Da kündigte Microsoft-CEO Steve Ballmer erst einmal seinen Rückzug binnen Jahresfrist an, ehe der Kauf der Nokia-Handy-Sparte für mehr als 5,4 Milliarden Euro bekannt wurde. Kurz zuvor hatte Ballmer noch den strategischen Umbau des Software-Riesen angekündigt, der demnach auch ein starker Anbieter von Geräten und Services sein will - gegliedert in die vier Funktionsbereiche Betriebssysteme, Applikationen und Dienste, Cloud ComputingCloud Computing und Enterprise Engineering sowie Devices und Hardware. Alles zu Cloud Computing auf CIO.de
Drei Einschläge also, die für sich gewaltig genug sind. Zusammen wirken sie wie ein heftiges Spätsommergewitter. Ob es die Luft gereinigt oder dauerhafte Schäden angerichtet hat, ist für den Moment offen. Die Analystenwelt sucht nach Antworten, die Geschäftskunden schwanken zwischen Erleichterung und vagen Hoffnungen.
"Der Wechsel an der Führungsspitze war überfällig", sagt Bernd Sengpiehl, Vorstandssprecher des Anwendernetzwerkes MicrosoftMicrosoft Business User Forum (mbuf). Zu viele Entwicklungen wie etwa die Internetökonomie oder Mobility habe Microsoft in den vergangenen Jahren verschlafen. Alles zu Microsoft auf CIO.de
"Wir hoffen auf mehr Klarheit in der Ausrichtung", so Sengpiehl. Zuletzt habe der Anbieter stark auf Produkte gesetzt, deren Nutzen für die angestammten Geschäftskunden fragwürdig sei: die Touchscreen-Technologie und das Modern UI in Windows 8 etwa, die Unternehmen eher vor neue Probleme stellt als vorhandene zu lösen; oder die Cloud-Only-Strategie für Office, die Anwender zum häufig unerwünschten Online-Sein ohne Unterbrechung zwinge.
Roadmap? "Wir erfahren dazu nichts"
"Stattdessen würden wir uns eine klare Roadmap wünschen, wie die Zukunft von Lösungen wie Windows, Office oder Dynamics aussehen soll - aber dazu erfahren wir nichts", moniert Sengpiehl. Mbuf kritisiert außerdem Chaos bei den Lizenzen.
Selbst Mittelständler seien inzwischen wegen der komplexen Lizenzierung dazu gezwungen, teure Enterprise Agreements mit Microsoft abzuschließen. Anders habe man kaum eine Chance, compliant zu bleiben, so Sengpiehl. Hinzu komme, dass Upgrades per Software Assurance (SA) mit 30 Prozent der Lizenzkosten überproportional zu Buche schlagen und der Support bei Microsoft auch noch extra kostet. Ob sich an der Vernachlässigung der Business-User nach den jüngsten Entwicklungen etwas ändert? Sengpiehls Antwort: drei große Fragezeichen.
- Pietro Tomasino, IT-Leiter Gruner + Jahr
"Vermutlich wird Microsoft gut daran tun, mit einer neuen Struktur und einer neuen Verantwortungsaufteilung andere Perspektiven auf seine Produkte und Services zu etablieren. Inwieweit das ausschließlich mit bisherigen Microsoft-Managern gelingt, bleibt abzuwarten. Ein direkter Nutzen für unser Geschäft ist für mich auch mit der jüngst von Herrn Ballmer angekündigten neuen Struktur nicht ableitbar, da die neue Struktur sich stark an den Technologien orientiert und weniger an Geschäftsbereichen von Kunden. Der Umbau eines Unternehmens in der Größenordnung von Microsoft ist ein jahrelanger Prozess – siehe IBM und Apple. Eine fokussierte Strategie ist dafür die notwendige Voraussetzung und muss am Anfang stehen. Davon, so scheint mir, ist Microsoft noch weit entfernt. Den Nokia-Kauf sehe ich als letzte Chance für beide im Smartphone-Markt: Für Nokia ist der Smartphone-Markt nicht mehr zu erschließen, da ein integriertes „Ökosystem“ wie bei Apple (iTunes/iCloud) und Google (Play/Marketplace) fehlt – ein schickes Endgerät reicht nicht. Andersherum hat Microsoft ein solches Ökosystem, und nun kauft man sich einen erfahrenen Handy-Hersteller dazu. Ich glaube, dass kann für Microsoft eine große Chance sein, Marktanteile im Smartphone-Markt auszubauen, und Nokia ist ein nicht mehr zu rettendes Sorgenkind los." - Christian P. Illek, Microsoft-Deutschlandchef
"Die geplante Übernahme ist der konsequente Schritt in unserer Entwicklung hin zu einem Unternehmen, dass neben Software auch Hardware und Services anbietet. Die aktuelle Generation der Nokia Windows Phones überzeugt mit ausgereifter Technik und hoher Nutzerakzeptanz. Weltweit sind die Nokia Windows Phones um 78 Prozent im Jahresvergleich gewachsen. In neun Ländern konnten wir bereits einen Marktanteil von mehr als 10 Prozent erzielen. Auch in Deutschland hat sich Windows Phone in den zurückliegenden Monaten sehr gut entwickelt. Die Übernahme, mit deren Abschluss wir Anfang 2014 rechnen, wird unseren Bestrebungen im Smartphone-Markt einen zusätzlichen Schub geben. Die Investition ist strategisch sehr wertvoll – für unsere Kunden, Partner, Mitarbeiter und für unsere Shareholder." - Bruce Guptill, Analyst bei Saugatuck Technology
"Für IT-Käufer und User legt der Nokia-Deal den Grundstein für ein sehr viel leichter integrierbares Microsoft/Windows-Instrumentarium vom Server über die Cloud bis hin zum Desktop und den mobilen Endgeräten. Positive Auswirkungen sollten unter anderem sein: geringere Entwicklungs- und Wartungskosten, geradlinigere Beschaffung von Software, Betriebssystemen und Geräten, verbesserte Kompatibilität und Sicherheit für Software und Hardware. Möglicherweise kommt noch hinzu, dass das gesamt Microsoft/Windows-Computing- und –Kommunikationsumfeld dynamischer kontrolliert und gesteuert werden kann. Wenn Microsoft den Nokia-Kauf und sein Surface-Tablet-Geschäft hinbekommt, werden die IT-Abteilungen ihren auf Microsoft/Windows-Technologie aufgebauten Architekturen treu bleiben. Dann dürfte die Präferenz dafür sogar noch steigen. Aber es bedarf einer Menge an effektiver Durchführung, damit das passiert. Unsicherheit auf der CEO-Ebene ist da nicht hilfreich." - Klaus Vogl, IT-Chef Auto-Teile-Unger (A.T.U)
"Microsoft ist für uns ein großes Thema, da wir Kunde der weltgrößten Dynamics AX Installation sind. Die Umstrukturierung von Microsoft sehen wir für uns aber eher als unkritisch an. Außer dass sich die Ansprechpartner wahrscheinlich ändern und wir somit doch Personen, die mit unseren Systemen vertraut sind, verlieren." - Ken Favaro, Analyst bei Booz & Company
"Microsoft befindet sich in einem inneren Kampf: Einerseits will man als eine Einheit agieren, andererseits beanspruchen die einzelnen Segmente ihre Freiräume. Und es ist überhaupt nicht klar, ob das Unternehmen oder die Fliehkräfte am Ende gewinnen. 'Wir müssen uns von vielen Microsofts hin zu einem Microsoft bewegen', hatte Steve Ballmer vor acht Jahren als Losung ausgegeben. 'Wir sehen uns als Ganzes, nicht als Ansammlung von Inseln.' Ballmer verglich die alte Struktur mit einer Baseball-Mannschaft, in der die Spieler 'eher individuell orientiert' seien. Die neue Struktur sollte demgegenüber einem Football-Team gleichen: 'Wir spielen alle eine bestimmte Position und machen alle Spielzüge zusammen.' Aber Microsofts neue Football-Formation hat sich nicht weniger anfällig für Spannungen zwischen Koordination und Verantwortlichkeit gezeigt als das alte Baseball-Konstrukt. Egal ob Football oder Baseball: Microsoft muss immer als Einheit und Vielzahl zugleich handeln. Es wird sich zeigen, ob das nach Ballmers Abgang besser oder schlechter gelingt." - Pietro Tomasino, IT-Leiter Gruner + Jahr
"Vermutlich wird Microsoft gut daran tun, mit einer neuen Struktur und einer neuen Verantwortungsaufteilung andere Perspektiven auf seine Produkte und Services zu etablieren. Inwieweit das ausschließlich mit bisherigen Microsoft-Managern gelingt, bleibt abzuwarten. Ein direkter Nutzen für unser Geschäft ist für mich auch mit der jüngst von Herrn Ballmer angekündigten neuen Struktur nicht ableitbar, da die neue Struktur sich stark an den Technologien orientiert und weniger an Geschäftsbereichen von Kunden. Der Umbau eines Unternehmens in der Größenordnung von Microsoft ist ein jahrelanger Prozess – siehe IBM und Apple. Eine fokussierte Strategie ist dafür die notwendige Voraussetzung und muss am Anfang stehen. Davon, so scheint mir, ist Microsoft noch weit entfernt. Den Nokia-Kauf sehe ich als letzte Chance für beide im Smartphone-Markt: Für Nokia ist der Smartphone-Markt nicht mehr zu erschließen, da ein integriertes „Ökosystem“ wie bei Apple (iTunes/iCloud) und Google (Play/Marketplace) fehlt – ein schickes Endgerät reicht nicht. Andersherum hat Microsoft ein solches Ökosystem, und nun kauft man sich einen erfahrenen Handy-Hersteller dazu. Ich glaube, dass kann für Microsoft eine große Chance sein, Marktanteile im Smartphone-Markt auszubauen, und Nokia ist ein nicht mehr zu rettendes Sorgenkind los." - Christian P. Illek, Microsoft-Deutschlandchef
"Die geplante Übernahme ist der konsequente Schritt in unserer Entwicklung hin zu einem Unternehmen, dass neben Software auch Hardware und Services anbietet. Die aktuelle Generation der Nokia Windows Phones überzeugt mit ausgereifter Technik und hoher Nutzerakzeptanz. Weltweit sind die Nokia Windows Phones um 78 Prozent im Jahresvergleich gewachsen. In neun Ländern konnten wir bereits einen Marktanteil von mehr als 10 Prozent erzielen. Auch in Deutschland hat sich Windows Phone in den zurückliegenden Monaten sehr gut entwickelt. Die Übernahme, mit deren Abschluss wir Anfang 2014 rechnen, wird unseren Bestrebungen im Smartphone-Markt einen zusätzlichen Schub geben. Die Investition ist strategisch sehr wertvoll – für unsere Kunden, Partner, Mitarbeiter und für unsere Shareholder." - Bruce Guptill, Analyst bei Saugatuck Technology
"Für IT-Käufer und User legt der Nokia-Deal den Grundstein für ein sehr viel leichter integrierbares Microsoft/Windows-Instrumentarium vom Server über die Cloud bis hin zum Desktop und den mobilen Endgeräten. Positive Auswirkungen sollten unter anderem sein: geringere Entwicklungs- und Wartungskosten, geradlinigere Beschaffung von Software, Betriebssystemen und Geräten, verbesserte Kompatibilität und Sicherheit für Software und Hardware. Möglicherweise kommt noch hinzu, dass das gesamt Microsoft/Windows-Computing- und –Kommunikationsumfeld dynamischer kontrolliert und gesteuert werden kann. Wenn Microsoft den Nokia-Kauf und sein Surface-Tablet-Geschäft hinbekommt, werden die IT-Abteilungen ihren auf Microsoft/Windows-Technologie aufgebauten Architekturen treu bleiben. Dann dürfte die Präferenz dafür sogar noch steigen. Aber es bedarf einer Menge an effektiver Durchführung, damit das passiert. Unsicherheit auf der CEO-Ebene ist da nicht hilfreich." - Klaus Vogl, IT-Chef Auto-Teile-Unger (A.T.U)
"Microsoft ist für uns ein großes Thema, da wir Kunde der weltgrößten Dynamics AX Installation sind. Die Umstrukturierung von Microsoft sehen wir für uns aber eher als unkritisch an. Außer dass sich die Ansprechpartner wahrscheinlich ändern und wir somit doch Personen, die mit unseren Systemen vertraut sind, verlieren." - Ken Favaro, Analyst bei Booz & Company
"Microsoft befindet sich in einem inneren Kampf: Einerseits will man als eine Einheit agieren, andererseits beanspruchen die einzelnen Segmente ihre Freiräume. Und es ist überhaupt nicht klar, ob das Unternehmen oder die Fliehkräfte am Ende gewinnen. 'Wir müssen uns von vielen Microsofts hin zu einem Microsoft bewegen', hatte Steve Ballmer vor acht Jahren als Losung ausgegeben. 'Wir sehen uns als Ganzes, nicht als Ansammlung von Inseln.' Ballmer verglich die alte Struktur mit einer Baseball-Mannschaft, in der die Spieler 'eher individuell orientiert' seien. Die neue Struktur sollte demgegenüber einem Football-Team gleichen: 'Wir spielen alle eine bestimmte Position und machen alle Spielzüge zusammen.' Aber Microsofts neue Football-Formation hat sich nicht weniger anfällig für Spannungen zwischen Koordination und Verantwortlichkeit gezeigt als das alte Baseball-Konstrukt. Egal ob Football oder Baseball: Microsoft muss immer als Einheit und Vielzahl zugleich handeln. Es wird sich zeigen, ob das nach Ballmers Abgang besser oder schlechter gelingt."
Die Übernahme des Kerngeschäftes von Nokia immerhin sei für die IT-Chefs eine gute Nachricht, meint Ted Schadler von Forrester Research. „Den CIOs, mit denen ich täglich zu tun habe, dürfte diese Übernahmen die Arbeit erleichtern", so Schadler. Die Doppelung der Mobility-Kräfte sei deshalb eine gute Sache, weil man als potenzieller Windows 8-Nutzer nun umso mehr von einem ernstgemeinten Engagement von Microsoft im Bereich Geräte und Services ausgehen dürfe. Erhöhte Planungssicherheit also für die Anwender - aber vielleicht ein nächstes Eigentor des einst in der Ära Bill Gates so erfolgsverwöhnten Imperiums?
Chance links liegengelassen
Praveen Chandrasekar, Analyst bei Frost & Sullivan, stichelt jedenfalls in diese Richtung. Auffällig sei, dass die Kalifornier den Finnen die Geschäftssparte "Here" überlassen hätten, die umbenannte Karten- und Verkehrsmanagementsparte von Navteq. „Das Hinzufügen von Here mit seinen standortbezogenen Komponenten sowie Mirrorlink hätte die Microsoft-Linie zum vernetzten Auto zu einer interessanten Möglichkeit für Auto-OEMs werden lassen", argwöhnt Chandrasekar. Und das umso verwunderter, weil Microsoft mit Plattformen wie SYNC oder Blue&Me bereits Bande zu Autoherstellern wie Ford, Fiat oder Kia geknüpft habe. Ein Randaspekt, vermutlich. Aber erschiene das Linksliegenlassen einer guten Chance im Zukunftsmarkt Automobile IT nicht geradezu für typisch für Microsoft in den vergangenen Jahren?