Projektmanagement bei Daimler-Chrysler
Straff organisiertes Räderwerk
ENDCHECK IM SINDELFINGER KUNDENZENTRUM: Der Mitarbeiter übergibt dem Ehepaar die Schlüssel ihres neuen A 160. Sie gehen in die Halle, das Paar öffnet Türen und Kofferraum, setzt sich in den Wagen und inspiziert den Innenraum. Alle Extras sind vorhanden, selbst die im letzen Moment von Kosmosschwarz- auf Polarsilber-Metallic umbestellte Farbe stimmt. Bis fünf Tage vor Baubeginn berücksichtigt Mercedes noch Änderungswünsche. Um so schnell reagieren zu können, hat die Car Group über zehn Jahre hinweg einen komplett neuen Bestellprozess geschaffen. Allein in dem im August abgeschlossenen Release setzte die IT dafür rund 3000 neue Softwareelemente ein.
Das nach drei Jahren abgeschlossene Release war das bislang größte innerhalb des Projekts „Global Ordering“ (GO) und eines der größten Softwareprojekte in der Konzerngeschichte. Seit 1995 gestaltetet die Mercedes Car Group (Mercedes-Benz, Maybach, Smart) den Bestellprozess für alle Händler in rund 150 Ländern neu: Hat der Kunde sein Wunschauto zusammengestellt, fließen die Informationen online in eine zentrale Datenbank. Auf Basis der Daten bucht das System einen Platz in der Produktionsplanung der Werke und schickt die Daten an die Fakturierung. Der Kunde erhält in Sekunden eine Auftragbestätigung, den Preis sowie einen verbindlichen Liefertermin und -ort. Im Idealfall fahren Käufer schon 15 Tage nach der Bestellung ihren neuen Wagen aus der Halle des Kundenzentrums. Vor zehn Jahren dauerte es noch 45 Tage.
Leidensdruck im Vorstand zu groß
Grund für die langen Durchlaufzeiten war die alte, nicht sonderlich durchgängige Systemlandschaft. „Es gab 50 sehr umfangreiche IT-Systeme mit vielen manuellen Schnittstellen“, erklärt Johann Hess, verantwortlich für die IT in den Fahrzeugmontagewerken und „Global Ordering“. Mehr als sechs Wochen Laufzeit erschienen 1995 auch dem Vorstand entschieden zu lang. Damit war der notwendige Leidensdruck auf höchster Ebene gegeben, um ein so langfristiges, kostenintensives und aufwendiges Vorhaben durchzuführen. „Wenn man einen Kernprozess erfolgreich neu gestalten will, geht das nur, wenn der Vorstand das trägt und dahinter steht“, betont Hess.
Im Lenkungsausschuss spielen dann auch der Vertriebs- und Produktionsvorstand als Hauptauftraggeber und Sponsoren des Projekts die wichtigste Rolle. Zwar waren auch andere Verantwortliche wie Werks- und Fachbereichsleiter vertreten, doch die Projektleitung berichtete an die beiden Vorstände. Für Hess ist die Organisation keinesfalls überdimensioniert. Für ein solch großes Projekt hält er einen Lenkungsausschuss für absolut essenziell: „Wir führen nicht militärisch, sondern kooperativ. Aber es muss Ordnung herrschen.“ Bei GO arbeitet permanent eine Mannschaft von deutlich mehr als 100 Mitarbeitern, in Spitzenzeiten bis zu 100 externe Kräfte sowie rund 40 eigene IT-Mitarbeiter und 30 Kollegen aus den Fachbereichen. „Wenn ich mit einem Regiment unterwegs bin, dann muss ich das anders organisieren, als wenn ich mit einem Team arbeite“, erklärt Hess die straffe Organisationsstruktur.
Ein weiteres Prinzip ist es, sowohl die Projektleitung als auch Teilprojekte immer mit Leuten aus IT und Fachbereichen zu besetzen. „Am liebsten ist es uns, wenn dabei die Fachseite die federführende Kraft ist“, sagt Hess. Daneben saßen auch Mitarbeiter des Münchener Softwareentwicklungs- und Beratungsunternehmens sd&m in allen Gremien. Mitarbeiter von TSystems als Betreiber der alten Systemlandschaft stießen je nach Thema dazu.