Agile Software-Entwicklung
Die Scrum-Erfahrungen bei Payback
"Das Regelwerk ist so unkompliziert und die Methode so einfach zu erlernen, dass man annimmt, man hat sofort alles verstanden", sagt IT-Manager Ehrhardt. Die Erkenntnis, welche Auswirkungen Scrum auf die tägliche Arbeit hat, sei dann umso überraschender: "Erst wenn man Scrum tatsächlich einsetzt, merkt man, dass es sich um einen wirklichen Paradigmenwechsel handelt, der von allen Beteiligten ein radikales Umdenken verlangt."
Vor allem bei den Software-Entwicklern sei Scrum auf große Begeisterung gestoßen. Viele machten erstmals die Erfahrung, dass ihre Meinung gefragt und geschätzt sei. "Früher fand die Entwicklung ja oft so statt, dass veränderte oder neue Anforderungen dem Entwicklungsteam per Zettel rübergereicht wurden, ohne nach deren – ohne Zweifel kompetente – Meinung zu fragen", blickt Ehrhardt zurück. Das habe oft zu Frust geführt, im schlimmsten Fall, weil schon geleistete Arbeit sich plötzlich als nutzlos herausstellte. Jetzt führe die neue Freiheit – die Teammitglieder schätzen jeweils selbst ein, welche Aufgaben sie innerhalb eines Sprints erledigen können, und arbeiten dabei ohne externe Kontrolle – zu einer spürbar besseren Motivation und einer messbar gestiegenen Produktivität.
Nerds tun sich schwer
Andererseits fordert Scrum die Entwickler auch: Der Programmiertyp des Nerds, der am liebsten im stillen Kämmerlein ohne Kontakt zur Außenwelt vor sich hin programmiert, tut sich schwer in der neuen Umgebung. "Viele Entwickler machen das erste Mal die Erfahrung des direkten Kundenkontakts. Das stellt natürlich andere Anforderungen an die Kommunikationsfähigkeit und soziale Kompetenz", sagt Ehrhardt. Dabei sorge aber das Scrum-Regelwerk für einen Rahmen, der für beide Seiten – Auftraggeber wie Entwickler – die Rollen und Kommunikationsanforderungen adäquat festlegt. Denn nicht nur das Entwicklerteam muss bei Scrum umdenken. Auch für den Auftraggeber brechen mit Scrum neue Zeiten an. "Bei Scrum gibt es nur sehr wenige Rollen und Prinzipien – wenn diese aber nicht exakt eingehalten werden, entsteht Chaos. Und das gilt selbstverständlich auch für den Kunden in seiner Rolle als Product Owner", sagt Dechko von SAM-Solutions.
Als Nearshore-Dienstleister unterhält er mehrere Projektteams in Weißrussland und der Ukraine, die zusammen mit den LPS-Entwicklern in München die Payback-Software weiterentwickeln – auf Grundlage der Scrum-Prinzipien. "Bei der Auswahl des Outsourcing-Dienstleisters war es für uns Bedingung, dass er Scrum beherrscht und die Zusammenarbeit auf dieser Basis stattfindet", blickt Auftraggeber Ehrhardt zurück. Nach einer viermonatigen Probephase arbeiten jetzt Scrum-Teams auf beiden Seiten mit jeweils synchronen zweiwöchigen Sprints. Die Koordination der Teams, das "Scrum of Scrums", findet mit Videokonferenzen und täglichen Telefongesprächen statt. "Ohne regelmäßige und intensive Kommunikation aller Projektbeteiligten klappt Scrum nicht", sagt Dechko.
Um Sicherheit mit der Methode zu gewinnen, haben sowohl LPS als auch SAM schon mehrere Mitarbeiter zur Schulung geschickt. Die Rollen des Scrum-Masters oder Product-Owners etwa lassen sich in zwei- bis dreitägigen Kursen bei der Scrum-Alliance erlernen. Bisher ziehen alle Beteiligten ein durchweg positives Resümee: Sie verzeichnen eine gesteigerte Produktivität, verbesserte Transparenz in der Softwareentwicklung, eine höhere Zufriedenheit aller Projektbeteiligten und eine größere Akzeptanz der IT beim Kunden.