Zentrale versus Länder
Dickköpfigkeit verhindert Standardisierung
Es ist nun soweit: Die umfangreichen Tests sind abgeschlossen, und die Verantwortlichen geben die neue Kassen-Software für den globalen Einsatz frei. Sie bringt Neuerungen bei Kundenkarten und Rabattsteuerung. Alles läuft wie geplant, doch nach der Hälfte des Roll-Outs fallen die ersten Kassen aus, es werden von Tag zu Tag mehr Ausfälle, teilweise müssen sogar Märkte schließen.
Die Fehlersuche fördert zunächst Überraschendes zutage: Ein Landesverantwortlicher hat aus Kostengründen nicht alle Kassen im vorschriftsmäßigen Turnus austauschen lassen. Die veralteten Modelle sind nicht für die neue Software ausgelegt. Den Konzern trifft dieser Alleingang hart, denn wie sich später herausstellen wird, sind drei weitere Landeschefs dem schlechten Beispiel gefolgt. Sie haben sich ebenfalls nicht an die weltweiten Vorgaben gehalten.
Die Lösung: Jetzt sollen Konzernvorstände über die Einführung weltweiter Standards entscheiden – und müssen dafür in den Ländern viel Überzeugungsarbeit leisten.
Filialprobleme wie dieses kennen viele Handelsunternehmen: Sie müssen die Technologien und Prozesse ihrer Filialen standardisieren, um wettbewerbsfähig zu bleiben, doch die Organisation spielt erst einmal nicht mit. Technologische Inseln sichern ihren Verantwortlichen vermeintlich den Job, weil nur sie sich darin auskennen. Zum anderen stärken Länderchefs in Retailkonzernen ihre Macht, indem sie ihre dezentralen IT-Infrastrukturen möglichst wenig mit der Holding integrieren und damit die Informationshoheit behalten wollen.