Strategie
Die Macht der Daten schlägt in allen Branchen durch
Lebensgroßes 3-D-Modell
Dass Transparenz durch intelligentes Datenmanagement auch mehr Bier fließen lassen kann, hat die Brau Union gelernt: Nach der Übernahme durch Heineken galt es für Österreichs Marktführer, seinen Lagerbestand auf 53 Sorten zu versechsfachen - ohne mehr Fläche, Mitarbeiter oder Gabelstapler zur Verfügung zu haben. Hat geklappt – mithilfe eines elektronisch gestützten Logistiksystems, das die gesamte Lieferkette vom Wareneingang über die Bestandsführung von Voll- und Leergut bis zur Abwicklung der Lkws steuert. Das Ergebnis: 13 Prozent mehr Bierumschlag, 23 Prozent mehr Lagerplatz, 20 Prozent weniger Leerfahrten und 15 Prozent weniger CO2-Emission.
An die Grenze des Machbaren gelangte auch die Meyer Werft in Papenburg: Aus bis zu zehn Millionen Bauteilen besteht ein dort gebautes Kreuzfahrtschiff, ist aufgrund individueller Kundenwünsche stets ein Einzelstück. Und kostet schon mal 700 Millionen Euro. Über 80 Prozent der Kosten wird in den ersten Monaten der Entwicklung der insgesamt 30-monatigen Bauzeit entschieden - um in dieser Phase möglichst flexibel agieren zu können, investierte die Werft 2010 einen zweistelligen Millionenbetrag und digitalisierte die Produktentwicklung.
Das gesamte Innen- und Außenleben des künftigen Schiffs kann als 3-D-Modell in realer Größe dargestellt und kontrolliert werden, der jeweils aktuelle Entwurf wird jede Nacht komplett durchgerechnet. So erkennen die Entwickler frühzeitig, wo die Planer gegebenenfalls ein Rohr übersehen oder eine Kabine vergessen haben könnten. Wie deutlich sich der Entwicklungsprozess durch die neuen Prozesse optimiert hat, will die Meyer Werft nicht verraten - laut einer Studie der Uni Bochum konnten Unternehmen mit vergleichbaren Projekten ihre Produktentwicklungszeiten um 17 Prozent und den Umfang nötiger Veränderungen um elf Prozent reduzieren.
Airbus-Manager Jan Reh spricht die Herausforderungen, vor denen sein Arbeitgeber steht, ganz offen an: "Wir denken nicht nur in Schrauben und Nieten", sagt der Innovationsexperte des Flugzeugbauers, "wir verstehen uns als Mobilitätsdienstleister für die Luftfahrtgesellschaften."
Und da passen die 26 Millionen Koffer, die 2012 ihr Ziel nicht erreichten, nicht ins Bild - entstand der Reiseindustrie dadurch doch ein Schaden von 1,9 Milliarden Euro. Airbus’ Antwort: Bag2Go, entstanden in Kooperation mit Kofferhersteller Rimowa und T-Systems. Ein elektronisches Suchsystem, das Gepäck per Barcode und Smartphone-App nicht nur weltweit ortbar macht. Der Koffer wiegt sich selbst, ist unproblematisch umbuchbar, lässt sich nahtlos von der Haustür bis ins Hotelzimmer liefern. Und könnte auch als Mietkoffer auf Reisen gehen. "Die Digitalisierung", sagt Airbus-Manager Reh, "zwingt uns, anders zu denken als bisher."
Das gilt auch für Landmaschinenhersteller Claas: Beim nächsten Feldversuch im Frühjahr wird der Einsatz digitaler Assistenten beim Mähen von Gras und anderen Nutzpflanzen, die sich zum Verfüttern eignen, ebenso getestet wie die optimale Dosierung von Gülle zum Düngen der Felder. "Wir werden uns immer weiter in die Bedürfnisse unserer digital denkenden Kunden hineindenken", sagt Claas-Vorstand Garbers. "Dieser Wandel ist nicht aufzuhalten."
- Accenture über Digitalisierung
In der Studie "Remaking Customer Markets - unlocking growth with digital" beobachten die Berater von Accenture, wie Unternehmen auf die Digitalisierung reagieren. Für die Studie hat Accenture Angaben von 500 Entscheidern weltweit ausgewertet. - Neue Allianzen
Acht von zehn Befragten gehen davon aus, dass sie allein mit ihren herkömmlichen Geschäftsmodellen nicht mehr wachsen werden. Viele wollen daher in "fremden" Branchen aktiv werden. - Möglichkeiten der Zusammenarbeit
60 Prozent der Studienteilnehmer wollen mit Partnern aus anderen Industriezweigen zusammenarbeiten. 33 Prozent können sich Kooperationen mit der öffentlichen Hand vorstellen und 27 Prozent wollen Konsumenten stärker einbeziehen, beispielsweise über Crowdfunding. - Nicht gleich akquirieren
Wer sich in neuen Branchen engagieren will, plant nicht gleich die Übernahme anderer Unternehmen. Lieber gehen die Befragten strategische Allianzen ein oder gründen Joint Ventures. - Digitale und persönliche Wege
Die Studienteilnehmer werden digitalisierte Mittel nutzen, um sich neue Geschäftsfelder zu erschließen. Ebenso wichtig sind aber auch die persönlichen Netzwerke und Beziehungen.
(Quelle: Wirtschaftswoche)