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Reality Check: Körper-Monitoring im Jahr 2023

Alexander Freimark wechselte 2009 von der Redaktion der Computerwoche in die Freiberuflichkeit. Er schreibt für Medien und Unternehmen, sein Auftragsschwerpunkt liegt im Corporate Publishing. Dabei stehen technologische Innovationen im Fokus, aber auch der Wandel von Organisationen, Märkten und Menschen.

Grundsätzlich seien die gesetzlichen Krankenkassen gegenüber Innovationen aufgeschlossen, die die Versorgung der Versicherten verbessern und zugleich wirtschaftlich sind, sagt Ernst-Günther Hagenmeyer von der Abteilung Medizin beim GKV-Spitzenverband: "Gerade neue Methoden und Verfahren, die helfen, Sektorengrenzen zu überwinden, sind immer interessant." Wenn jedoch das Tele-Monitoring mit dem Datenkommunikator eine Regelleistung der gesetzlichen Kassen werden soll, müsste es vorher in Studien unter Beweis stellen, dass es tatsächlich für den Patienten einen Zusatznutzen gegenüber der bisherigen Versorgung hat. "Hier ist noch viel Arbeit zu leisten", so der Experte des GKV-Spitzenverbands, "denn bisher liegen qualitativ ausreichende wissenschaftliche Studien leider nicht vor."

Medizin über Smartphones nicht Sinn der Sache

Ralf-Gordon Jahns Research Director, Research2Guidance: "Wie empfehlen Unternehmen, in ihren Geschäftsmodellen auf Kunden zu setzen, die bereit sind, Leistungen aus eigener Tasche zu bezahlen."
Ralf-Gordon Jahns Research Director, Research2Guidance: "Wie empfehlen Unternehmen, in ihren Geschäftsmodellen auf Kunden zu setzen, die bereit sind, Leistungen aus eigener Tasche zu bezahlen."
Foto: Research2Guidance

Zudem könnte laut Hagenmeyer eine vollautomatische Computermedizin über das Smartphone nicht Sinn der Sache sein: "Daneben bedarf es einer aufwendigen Infrastruktur, in der die Vitalwerte rund um die Uhr von Experten ausgewertet werden." Deren Systeme müssen ununterbrochen und absolut fehlerfrei arbeiten, argumentiert der GKV-Experte: "Das zu gewährleisten ist sicherlich die weitaus schwierigere Aufgabe." Hinzu komme, dass ein Betreuer im Telemedizinzentrum - im Gegensatz zum behandelnden Arzt mit seiner umfassenden Kenntnis des Patienten - bei einem Notfall vorrangig die aufwendigeren, teilweise belastenderen Maßnahmen einleiten müsste, um auf "Nummer sicher" zu gehen. Dies relativiere den Kostenvorteil.

Für welche Leistungen die Krankenkassen im Jahr 2023 zahlen werden, sei nach Aussage des Marktforschers Jahns von Research2Guidance heute nur schwer einzuschätzen. "Aber immerhin wächst durch die Eigeninitiative der Menschen der Druck auf das traditionelle Gesundheitssystem, sich für die mobilen Daten zu öffnen." Knapp 100.000 mHealth-Apps im weitesten Sinne gibt es bereits, hat Jahns in einer Studie zusammengerechnet. Im Jahr 2017 soll es weltweit rund 3,4 Milliarden Smartphones und TabletsTablets geben, wovon auf die Hälfte mHealth-Apps heruntergeladen wurden. Das Marktvolumen belaufe sich dann auf rund 26 Milliarden Dollar, so der Analyst. "Die Entwicklung kann schneller ablaufen, als wir heute denken." Alles zu Tablets auf CIO.de

Volker Lowitsch hat da leichte Zweifel - nicht unbedingt am Grundsatz und an der Nützlichkeit, sondern an der Umsetzungsgeschwindigkeit im Gesundheitswesen. Er kennt die Barrieren im Markt, denn seit 2001 ist er CIO im Klinikum Aachen, und seit mehreren Jahren engagiert er sich für die Elektronische Fallakte (EFA). Lowitsch sieht Hindernisse für die Mobilisierung etwa beim DatenschutzDatenschutz und bei der Informationshoheit, dem Nutzwert und der Qualität der Daten sowie an der Schnittstelle von privaten Applikationen zum professionellen Medizinwesen. "Nur weil ich meinen Blutdruck in einer App speichere, habe ich noch nicht viel gewonnen." In erster Linie würden jedoch Geschäftsmodelle im stark regulierten deutschen Markt fehlen. "Entscheidend für den Erfolg ist der Übergang der mobilen Daten in die Regelversorgung - dass die Krankenkassen aber alles finanzieren und damit die Gesundheit steuern, halte ich nicht für realistisch." Alles zu Datenschutz auf CIO.de

Auch für Silvia Piai hängt der Durchbruch an den Business-Modellen. "Gesundheitspolitiker sollten finanzielle Anreize schaffen, um das Verfahren zu unterstützen", schlägt die Healthcare-Analystin von IDC vor. Wenn Ärzte weiter Geld für Praxisbesuche bekommen, hätten sie kein Interesse daran, Telemedizin zu fördern. Allerdings sei die Fernüberwachung nicht für jeden Patienten sinnvoll. Sie fordert, dass Betroffene und Mediziner umfassend über Chancen und Grenzen informiert werden, um unrealistische Erwartungen zu unterbinden. "Das ist ein langer Weg, aber ich glaube, dass wir das Ziel in zehn Jahren erreichen können."

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