Stress, Hektik und keine Ruhe
Der Kampf gegen die Zeitknappheit
Wie viel Flexibilität verträgt die Gesellschaft?
Was vordergründig Egoismus ähnelt, schadet uns selbst - oft ohne dass wir es rechtzeitig merken. Denn die natürliche Taktung des Lebens, auch die des Körpers, wird durch die Uhr ausgehöhlt: Leben ist auf Dauer nur mit gewissen Rhythmen vereinbar. Zeitkrankheiten breiten sich aus, vor allem bei denen, die mal nachts und mal tagsüber arbeiten.
Die Pausen- und Erholungskultur geht danieder und der freie Abend wird zersägt durch Mobiltelefone. Die Kultur des Westens war jahrhundertelang geprägt von der Präferenz der Ruhe - doch inzwischen wird längst die Unruhe präferiert.
Dabei vergeht Zeit nicht immer gleich schnell: Ob beim Sex, beim Reden, beim Fernsehgucken, Lesen oder Tanzen. Beim Schauen der letzten Minuten des WM-Finals, wenn Deutschland 1:0 führt? Da braucht man nicht mal Einsteins Relativitätstheorie um zu merken, dass die Zeit keine absolute Größe ist. Doch in unserem Bewusstsein wird Zeit mit dem Instrument verwechselt, das sie misst.
Entscheidend ist die Erkenntnis, dass sich beides nicht verträgt: ständige Erreichbarkeit und die Herrschaft der Uhr. Der produktive Mensch ist nicht zwingend der pünktliche. Und der glückliche ist er allemal nicht. Typische Ratgeber bringen wunderbare Hinweise, wie man Zeit managen kann.
Das durchkalkulierte Leben mag effizienter sein, doch "Zeitmanager lieben die Zeit nicht", wie Karlheinz Geißler in seinem Buch "Time is honey" schreibt. Wir waren noch nie so frei, über unsere Zeit zu entscheiden, wie heute: "Und nie waren wir so wenig in der Lage, diese Freiheiten zu unseren Gunsten zu nutzen", meint Geissler.
- Arbeitsbelastung
Am problematischsten ist die hohe Arbeitsbelastung. 51 Prozent der Befragten gaben dies als Stressgrund an. Deutschland liegt damit im Schnitt, auch in den anderen elf Ländern ist ein ähnlich hoher Anteil der gleichen Meinung. - Unterbesetzung
Ein weiterer Stressgrund: personelle Unterbesetzung. 41 Prozent der Befragten sehen das als wichtigen Grund für Stress bei der Arbeit an - ein Wert, der fast in allen Ländern ähnlich ist. - Büroklatsch
Dass unangenehme Kollegen oder fieser Büroklatsch zu Stress führen kann, ist allgemein bekannt. Dementsprechend führen auch 31 Prozent der Befragten das als Stressgrund an - der Anteil derer, die das ähnlich sehen, liegen in allen anderen Ländern fast gleich hoch - außer in Brasilien: 60 Prozent der Befragten geben unangenehme Kollegen und fiesen Büroklatsch als Stressgrund an. - Chefqualitäten
Wenn der Chef sich eher um sein Handicap kümmert, statt ordentlich zu führen: 28 Prozent der Befragten sind mit der Management-Fähigkeit des Chefs unglücklich. Das Unvermögen des führenden Managers, das zu Stress führt, scheint in Luxemburg relativ unbekannt zu sein - nur 11 Prozent der Befragten sind dort mit den Befragten unglücklich, in Dubai sind es gar neun Prozent. - Druck von oben
Unangemessener Druck vom Chef nannten 27 Prozent der Befragten hierzulande als Stressgrund. In Brasilien sind es dagegen 44 Prozent. - Stressfrei
Keinen Stress haben dagegen nur sieben Prozent der deutschen Befragten. Genauso niedrig ist der Anteil derer, die ihren aktuellen Job nicht mögen. - Verantwortung
Was sorgt im Büro für Stress? Der Personaldienstleister Robert Half hat im höheren Management nach den wichtigsten Gründen gefragt. Dabei gaben 18 Prozent der Befragten zu viel Verantwortung oder ständiges an die-Arbeit-denken auch in der Freizeit als Grund für Stress bei der Arbeit an. Nur in Tschechien können die Beschäftigten außerhalb des Arbeitsplatzes schwerer abschalten - dort gaben 28 Prozent an, dauernd an die Arbeit denken zu müssen. Auf der anderen Seite der Skala ist Luxemburg: nur fünf Prozent haben dort dieses Problem.
Es ist ein Kampf gegen die Gewohnheit, gegen all das, was wir von Eltern, Lehrern, Chefs und auch Freunden mitbekommen haben: Effizienzdenken statt dessen, was die Römer mit "Carpe diem" meinten. Ablenkung statt Reflexion. Und: künstlicher Lebensstil statt natürlichem.
Der Mensch muss wieder seinem inneren Rhythmus folgen dürfen. Jahrtausendelang war die menschliche Innenwelt mit der natürlichen Außenwelt verbunden. Mit dem Mittelalter ging das verloren.