Mercedes-Benz-Group-CIO Katrin Lehmann
Die KI-Strategie von Mercedes-Benz
Ich glaube, in Ihrem Job wird es nicht langweilig. Nehmen wir nur das Thema KI. Bereitet es Ihnen keine Bauchschmerzen, dass der Markt von einigen US-Playern sehr stark dominiert wird?
Katrin Lehmann: Wir arbeiten mit vielen dieser Unternehmen vertrauensvoll zusammen Bisher haben wir positive Erfahrungen gemacht. Zudem gibt es entsprechende Datenschutzvereinbarungen, das heißt, wir behalten die Datenhoheit. Wir sind da auf einem guten Weg.
Nichtsdestotrotz halten wir die Augen offen.
Globale IT-Welten betreiben
Sie schauen sich die europäischen Initiativen an. Glauben Sie, dass der Gedanke einer Europäischen Cloud eine Zukunft hat?
Katrin Lehmann: Das mag ich noch gar nicht voraussehen. Schließlich kommt es auch ein Stückweit darauf an, wie sich die Welt jetzt weiterentwickelt.
Ich glaube, dass wir in dieser globalen Welt auch weiter globalen Handel und eben auch globale IT-Welten betreiben können.
IT auch lokal betreiben
Sie hoffen, globale IT-Welten weiter betreiben zu können. Haben Sie Ihre IT-Strategie schon so aufgestellt, dass sie im Zweifelsfall gewisse Länder oder Regionen autark betreiben könnten?
Katrin Lehmann: Als Unternehmen verfolgen wir schon seit vielen Jahren eine Local-for-Local-Strategie, also vor Ort die passenden Produkte anzubieten und zu produzieren. Beispielsweise betreiben wir in China auch heute schon einiges lokal, da sich viele Dienste von den westlichen unterscheiden. So nutzen wir etwa dort verfügbare Cloud-Anbieter wie Tencent für einige unserer Anwendungen.
Wir fahren einen Data-Mesh-Ansatz
Wie gehen Sie mit Blick auf die globalen IT-Welten eigentlich mit den Themen Datenmanagement und Big Data um?
Katrin Lehmann: Wir fahren einen Data-Mesh-Ansatz im Unternehmen. Dabei bleiben die Informationen lokal, werden aber zentral zur Verfügung gestellt.
Eine globale IT ist auch unterschiedlichen regionalen Compliance-Anforderungen unterworfen - ich denke nur an den EU-AI-Act. Inwieweit bremst so etwas?
Katrin Lehmann: Unser IT-Bereich arbeitet von Anfang an eng mit unserem Compliance- und Rechtsbereich zusammen. Nur so können wir rechtliche Risiken frühzeitig identifizieren und sie vorausschauend und systematisch angehen. Auf diese Weise stellen wir sicher, dass unsere IT-Systeme den regulatorischen Anforderungen entsprechen. Beim EU-AI-Act denke ich, dass wir gut aufgestellt sind, da wir uns - wie erwähnt - schon 2019 eigene Regeln auferlegt haben. Diese sind gar nicht so weit vom EU-AI-Act entfernt. Für uns ist es eine Selbstverständlichkeit, dass wir KI entsprechend unserer KI-Prinzipen einsetzen - auch global. Natürlich wird es Abstufungen geben und der ein oder andere Use Case wird regional abweichen.
Wissen teilen mit Open Source
Sie erwähnten die notwendigen Kostensenkungen und den damit verbundenen Zwang zu standardisierten Lösungen. Sind Open-Source-Lösungen für Sie eine Option?
Katrin Lehmann: Ja, aber Free and Open Source Software (FOSS) hilft nicht nur, Kosten zu senken. Wissen verdoppelt sich, wenn man es gegenseitig teilt. Eine gesunde Open-Source-Kultur halte ich für eine der smartesten unternehmerischen Investitionen in die Zukunft und gesellschaftliche Verantwortung zugleich.
Wir haben als einer der ersten ein sogenanntes FOSS-Manifest ins Leben gerufen, weil wir Open Source als große Chance sehen. Beispielsweise wurde kürzlich einer unserer Experten von den Vereinten Nationen nach New York eingeladen, um dort unsere Erfahrungen mit Open Source zu teilen
Wir sind stolz darauf, beim Thema FOSS über unsere Branche hinaus Vorreiter zu sein. Und wir wollen aktiv zu Open Source beitragen und auch eigenen Code teilen.
Aber wir sind eine Organisation, die zum einen das große Potenzial sieht, aber auch die Risiken im Blick hat. Diese dämmen wir gezielt ein, weil wir möchten, dass FOSS sicher ist und vernünftig gecovert und eingesetzt werden kann.